FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
versorgt und ein geordnetes Lagerleben hergestellt werden. Für diese Zivilpersonen waren der Hurenweibel und sein Rumormeister zuständig, und die hatten bei dieser ganzen Bagage wirklich alle Hände voll zu tun.
Georg Ackermann genoss die Ruhe der nächsten Tage. Wenn die Söldner nicht exerzieren mussten, saß er oft träumend am Ufer der Elbe und blickte auf das träge dahinfließende Wasser hinaus. Könnte er doch nur mit diesem Strom in ein neues Leben treiben!
Wie viele Männer in seinem Alter wünschte er sich eine Familie mit Frau und Kindern, ein gemütliches Haus und eine Arbeit, die ihn wirklich ausfüllte. Doch solange der Krieg wütete und Gewalthaufen mordend durchs Land zogen, durfte er sich keinen falschen Hoffnungen hingeben.
Er erinnerte sich wieder an seinen Vater, der über seiner Bibel gebeugt saß, an seine Mutter, die ihn stets mit ihren Gebeten begleitet hatte, und wieder hörte er ihre Stimme in seinem Inneren: »Gott wird dich finden, mein Sohn. Eines Tages wird er dich finden.«
Er schloss seine Augen und ließ sich ins Gras zurücksinken. Bienen summten um ihn herum, eine Rohrdommel stieß im Schilf eines nahen Weihers dumpfe Balzrufe aus und Lerchen stiegen rhythmisch trillernd und zirpend in den Himmel empor.
Wie friedlich das Leben sein kann, dachte er, während er sanft in das Reich der Träume hinüberglitt.
Eine dunkelhaarige Frau mit braunen Augen beugte sich im Traum über ihn. Er spürte ihren Atem, die Wärme ihres Körpers. Sanft berührten ihre Lippen seine Wange.
Georg Ackermann lächelte vor Glück im Schlaf, und die quälenden Bilder von Krieg, Gewalt und Leid lösten sich auf, verschwanden im Dunkeln des Vergessens.
Die letzten zwei Wochen war nicht viel passiert, und Anneliese war es ganz recht so. Der Fall der Schanzen rund um Magdeburg, die vielen Toten, die Ungewissheit und das drohende Schicksal der Einwohner, das alles zerrte an ihren Nerven.
Sie hatte gehört, dass Kapitän Böse von den Kaiserlichen verschont worden war. Doch niemand wusste Genaues. Sie mochte diesen lebenslustigen Offizier, auch wenn es nie zwischen ihnen gefunkt hatte. Er war ein gläubiger und grundsatztreuer Mann, ohne dabei verbohrt zu wirken. Eigentlich wäre er eine gute Partie für ein Mädchen wie sie, aber sie wollte keine Vernunftehe.
Als sie ihren Vater nach Kapitän Böses Schicksal gefragt hatte, während Benno Greve dabeistand, hatte der Advokat nicht sehr glücklich zu Boden geschaut. Das war für sie ein Zeichen gewesen, dass Benno sie mochte, vielleicht sogar liebte. Doch die ganze Zeit über, in der er bei ihrem Vater Fechtstunden genommen hatte und ihr deshalb fast täglich begegnete, war er zurückhaltender gewesen, als ihr lieb war. Nun gut, sie hätte ihn oben auf der Stadtmauer am liebsten geküsst; zumindest hatte er sie tröstend in seine Arme genommen, aber seitdem war nichts mehr passiert. Leider.
Anneliese seufzte und strich sich ihre schwarzbraunen Locken aus dem Gesicht. Andere Mädchen hätten den jungen Mann sicherlich schon längst »rumgekriegt«. Aber sie war anders. Sie wusste von ihrer Wirkung auf Männer. Man musste sie nur lange genug und geschickt umgarnen, dann wurden sie schwach.
»Weißt du, Annelie«, hatte ihre Mutter einmal gesagt, »den meisten Männern ist nicht klar, dass nicht sie uns heiraten, sondern wir Frauen heiraten sie.«
»Auch Papa?«
»Ja, auch dein Vater!«, hatte ihre Mutter verschmitzt gelächelt. »Wenn ein Mann nicht in eine andere Frau verliebt ist, und er stolpert immer wieder über dich, beginnt er sich irgendwann für dich zu interessieren. Wenn du dich dann ein wenig zierst und ihn nicht gleich erhörst, erwacht sein Jagdinstinkt, und schon ist er gefangen. Wenn er dich schließlich das erste Mal küssen darf, glaubt er, er habe dich erobert. Dabei ist er nur in das Netz gegangen, das du ausgelegt hast.«
Anneliese hatte sie nur ungläubig angeblickt.
»Glaub mir, meine Tochter, so verdreht man Männern den Kopf. Du musst es nur geschickt anfangen.«
Dann war ihre Mutter, ein Lied summend, in die Küche gegangen. Offensichtlich erinnerte sie sich dabei an die Liebesabenteuer in ihrer Jugendzeit.
Schön wär's, dachte Anneliese jetzt, wenn Benno Greve bei ihr anbeißen würde. Aber der Trick ihrer Mutter schien bei Benno nicht wirklich zu funktionieren.
Plötzlich kam Anneliese ein Gedanke.
Vielleicht war der junge Mann ja in eine andere verliebt und kam ihr deshalb nicht näher?! Vielleicht mochte er die
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