FreeBook Die tote Unschuld - Soko Hamburg Bd 1
der Küche sowie zwei Zimmern. Beide waren in etwa gleich groß.
Julia hatte das eine als Schlafzimmer, das andere als Wohnzimmer benutzt. Genau wie Heike selbst es auch tat. Allerdings lebte die Hauptkommissarin in einem Altbau mit hohen Räumen und Stuckdecken. Die Ermordete hingegen hatte einen Neubau bewohnt.
Die Zimmer waren in Pastellfarben gehalten. Alles wirkte mädchenhaft. So, als sei Julia Sander zehn Jahre jünger gewesen. Wenigstens gab es keine Poster von Popstars an den Wänden.
Hingegen erblickte Heike eine sehr schöne vergrößerte Fotografie. Eine Ballerina wurde dargestellt. Die Tänzerin drehte gerade eine Pirouette.
Erst auf den zweiten Blick bemerkte Heike, dass die Balletteuse niemand anders war als Julia Sander selbst. Das Foto war vermutlich vor drei oder vier Jahren aufgenommen worden.
Es zeigte nicht nur Julias tänzerische Fähigkeiten. Es warf außerdem noch ein bezeichnendes Bild auf das Opfer. Menschen, die stark vergrößerte Fotos von sich in ihrem Wohnzimmer aufhängten, waren meist sehr von sich selbst eingenommen. Diese Erfahrung hatte jedenfalls Heike gemacht.
Automatisch zog sie ihre Einweg-Latexhandschuhe an, während sie durch die Wohnung streifte. Der Kleiderschrank war übervoll, genau wie ihr eigener.
Julia hatte ein französisches Doppelbett besessen. Darauf lag eine Tagesdecke – bunte Webarbeit, vermutlich aus Südamerika.
Alles sehr nett, aber nichts Spektakuläres.
Und doch war Heikes Besuch in der leeren Wohnung nicht umsonst. Direkt auf dem gläsernen Couchtisch im Wohnzimmer lag etwas, das Heikes Herz höher schlagen ließ.
Zwei Flugtickets von Hamburg nach New York, mit dem Angebot eines Weiterflugs nach Las Vegas!
Außerdem lag neben den Flugscheinen ein Internet-Ausdruck. Er informierte über die Möglichkeiten einer Hochzeit in Las Vegas!
Heike nickte grimmig. Irgendjemand hatte offenbar die geplant Hochzeit des jungen Paares mit Gewalt verhindern wollen.
Sie musste unbedingt mit diesem Erik Evermann sprechen!
3. Kapitel
Bei Kriminaloberrat Dr. Magnussen biss Heike auf Granit.
»Ihre lebhafte Fantasie in allen Ehren, Frau Stein. Aber aus einigen zufälligen Indizien gleich eine Mordverschwörung gegen das erste Opfer zu konstruieren – das ist mir nun doch zu gewagt! Wo soll denn bitte schön die Verbindung zwischen Julia Sander und Wilhelm Krone bestehen?«
»Das ist ja gerade der Trick, Herr Dr. Magnussen! Der Anschlag auf den Rentner und mögliche weitere Bluttaten in Hamburger Parkanlagen sollen nur von dem eigentlichen Motiv ablenken! Der Täter will uns auf eine falsche Spur lenken!«
»Ach wirklich?« Heikes Vorgesetzter lächelte, als ob er mit einem flunkernden Kind sprechen würde. »Und worin besteht das eigentliche Motiv?«
»Das weiß ich auch noch nicht so genau«, räumte Heike ein. »Aber ich bin sicher ...«
»Ich bin sicher, dass wir keine Energie verschwenden sollten! Sie werden ab morgen nach dem Serienmörder fahnden, so wie Ihre Kollegen ebenfalls. Haben wir uns verstanden?«
»Aber ...«
»Ich wünsche Ihnen einen schönen Feierabend, Frau Stein!«
Dr. Magnussen klopfte mit seiner kalten Tabakspfeife auf seinen Schreibtisch, als wäre sie der Hammer eines Richters. Das Urteil der Kriminaloberrats stand fest. Heike musste sich fügen. Andernfalls riskierte sie eine Abmahnung oder Schlimmeres.
Wutentbrannt verließ Heike das Büro ihres Vorgesetzten im Präsidium. Immerhin war sie diplomatisch genug, nicht mit der Tür zu knallen.
Gut, bis jetzt sprach vordergründig alles für einen Serienmörder. Aber musste die Polizei nicht alle denkbaren Spuren verfolgen? Oh ja, sie musste. Das war jedenfalls Heikes Meinung.
Die Kriminalistin verließ das Dienstgebäude und schwang sich auf ihr Mountainbike. Während sie kräftig in die Pedale trat, wurde ihr schon wohler. Stress konnte sie immer am besten durch Bewegung abreagieren. Nun, dazu würde sie an diesem Abend noch genug Gelegenheit haben.
Es war nämlich Montag, und damit Zeit für ihr Kampfsporttraining.
Heike schlang schnell eine Schale mit Corn Flakes hinunter. Dann warf sie ihre Sportsachen in eine Reisetasche und lief hinunter zur U-Bahn-Station Eppendorfer Baum.
Sie fuhr mit dem Untergrundzug bis zur Feldstraße. Hier, im tiefsten St. Pauli, befand sich die Sportschule Yin und Yang. Heike lernte dort seit drei Jahren Kung Fu bei einem chinesischen Meister. Ihre Trainingspartner waren zum größten Teil raubeinige St. Pauli-Typen. Doch Heike war der Meinung, dass sie besser
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