FreeBook Die tote Unschuld - Soko Hamburg Bd 1
geräuschvoll.
»Vielen Dank«, näselte sie und schnaubte erneut. »Sie sind so freundlich.«
»Ich weiß, dass es für Sie schwer ist.« Heike setzte sich nun ebenfalls in die Frühstücksecke. Sie zückte ihr Notizbuch. »Leider kann ich Ihre Freundin nicht wieder lebendig machen. Aber vielleicht gelingt es uns, mit Hilfe Ihrer Aussagen den Mörder zu verhaften.«
Anja Renning sah nun nicht mehr so verzweifelt aus. Sie schaute Heike erwartungsvoll an. Offenbar war sie froh, selbst etwas tun zu können.
»Wie lange kannten Sie Frau Sander?«
»Ungefähr zwei Jahre. Wir sind zufällig fast zeitgleich in dieses Haus gezogen. Und da wir die einzigen Mieter in unserer Altersgruppe sind, kamen wir uns fast automatisch näher. Alle anderen Leute im Haus sind über Sechzig.«
»Was machen Sie beruflich, Frau Renning?«
»Ich bin Krankengymnastin. Das ist ja nun ein ganz anderer Bereich als Julia mit ihrer Nobel-Boutique. Aber sie ist ... war niemals arrogant, obwohl sie in einem so exklusiven Schuppen arbeitete.«
»Was war sie für ein Mensch?«
Anja Renning trank einige Schlucke Kaffee, bevor sie die Frage beantwortete.
»Julia liebte das Leben. Deshalb kann ich auch kaum begreifen, dass sie ... tot sein soll. Sie war abenteuerlustig, wenn man das so nennen will.«
»Und wie war es mit Männern?«
Die junge Frau zögerte. Aber dann öffnete sie doch den Mund für eine Antwort.
»Manche Leute würden vielleicht sagen, dass Julia ... leicht zu haben war. Aber ich sehe das anders. Sie war einfach unheimlich offen für neue Eindrücke. Zugegeben, sie hat es den Männern nicht schwer gemacht. Julia hat sich eben schnell verliebt. Aber es gab einen, der ihr ganz besonders viel bedeutet hat.«
»Erik Evermann?«, fragte Heike. Im nächsten Moment hätte sie sich am Liebsten auf die Zunge gebissen. Besser wäre es gewesen, Anja Renning den Namen selbst nennen zu lassen.
»Ja, der reiche Junge. Aber glauben Sie mir, Julia hat ihn nicht wegen des Vermögens seiner Familie geliebt. Er ist einfach ein toller Typ. Haben Sie ihn schon kennen gelernt?«
»Bisher noch nicht.«
»Vor allem hat Erik Evermann Charakter und seinen eigenen Willen. Ich glaube, sein Vater war alles andere als begeistert von Eriks Beziehung zu Julia. Aber Erik hat zu Julia gestanden. Es muss schön sein, so stark geliebt zu werden.«
Anja Renning kämpfte schon wieder mit den Tränen. Schnell fragte Heike: »Hat Julia Ihnen erzählt, dass Eriks Vater gegen sie war?«
Die Krankengymnastin nickte.
»Sie hat darunter gelitten, glaube ich. Fast so sehr wie unter den anonymen Morddrohungen.«
»Morddrohungen?« Heike horchte auf.
»Ja, sie wurde einige Male von einem Verrückten angerufen. Jedenfalls glaube ich, dass der Kerl wahnsinnig sein muss. Ich habe ihr geraten, zur Polizei zu gehen.«
»Das hat sie nicht getan. Sonst wüsste ich inzwischen davon.«
»Glauben Sie, dass dieser unbekannte Telefonverbrecher sie ermordet hat?«
»Wir ermitteln in alle Richtungen«, sagte Heike unbestimmt. »Wissen Sie, was der Anrufer in etwa gesagt hat, und ob er sie zu Hause oder am Arbeitsplatz angerufen hat?«
»Ich glaube, die Anrufe kamen nur bei ihr daheim an. Der Kerl hat ihr immer mit dem Tod gedroht, wenn sie nicht die Stadt verlassen würde.«
»Die Stadt verlassen? Hat er das gesagt?«
»Beschwören kann ich es nicht. Ich habe ja keinen dieser Anrufe mitgehört.«
Heike unterstrich die Worte »die Stadt verlassen« in ihrem Notizbuch gleich drei Mal. Dann machte sie einen Pfeil zu dem Wort »Evermann« hinüber.
»Ich würde mir jetzt gerne einmal Julia Sanders Wohnung ansehen. Später wird noch ein Spurensicherungsteam kommen. Das ist leider notwendig.«
»Ich verstehe Sie«, versicherte Anja Renning. »Ich will ja auch, dass der Täter gefasst wird.«
Heike trank ihren Kaffee aus. Die Zeugin erhob sich ebenfalls.
»Ich werde zu meinem Freund fahren. Ich kann jetzt nicht allein sein.«
»Das ist eine gute Idee.«
Während Anja Renning fortging, öffnete Heike die Wohnungstür der Ermordeten. Ein angenehmer Duft kam ihr entgegen. Es roch nach Nelkenöl, frischen Blumen und einem teuren Parfum. Heike schnupperte noch einen Augenblick, dann fiel ihr der Name ein.
Ravenna Rain.
Es war seltsam, aber an der Toten hatte sie keinen Duft mehr wahrnehmen können. Das Parfum harmonierte offenbar nur mit dem lebenden Körper ...
Während Heike diese Dinge durch den Kopf gingen, machte sie ein paar Schritte in die Wohnung hinein. Diese bestand aus einem kleinen Flur, dem Bad,
Weitere Kostenlose Bücher