freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
Schreibtisch gelegt. Da finden Sie alle Einzelheiten, mehr haben die Carabinieri uns auch nicht gesagt.«
Marco Luciani betrat sein Büro, sah die Zeitung – dieselbe, deren Stellvertretender Direktor ihn vor kurzem abgekanzelt hatte
– und die Nachricht, die sein Vize auf einen Notizzettel geschrieben hatte: »Ich habe dich gesucht, aber du warst nicht da.
Hoffentlich nichts Ernstes. Bin unterwegs zum Staatsanwalt, versuch mir einen Durchblick zu verschaffen.«
Iannece war auf der Schwelle stehengeblieben. Als er Luciani auf den Stuhl sinken und die Zeitung aufschlagen sah, ging er
weg und murmelte halblaut: »Verreck, wie die Genueser sagen: Manchmal zieht ein Schamhaar besser als zehn Ochsen.«
Der Kommissar tat, als hätte er das überhört. Aber er stellte sich die zehn Ochsen vor, die auf seinen Kopf herunterkrachten
und ihn unter ihren Fladen begruben.
|280| Auf der Titelseite war rechts oben ein Kasten, außerdem war die dritte Seite komplett dem Fall Ferretti gewidmet. Die Schlagzeile
des sensationellen Aufmachers ging über acht Spalten:
Opfer der Schutzgeldmafia im Prostitutionsgewerbe
; keine Gänsefüßchen, kein Fragezeichen.
Besitzer eines Turiner Nachtclubs im Fall Ferretti verhaftet,
fügte die Unterzeile an, wobei sie stolz darauf hinwies, daß dies eine »Exklusivmeldung« sei. Auf einem Foto weiter unten
war Saggese zu erkennen.
Wenn das stimmt, bin ich erledigt, dachte Marco Luciani, während er anfing, den Artikel zu lesen, den ein gewisser Antonio
Dall’Olio gezeichnet hatte.
Herr Ferretti sei schon monatelang vor seinem mysteriösen Ableben, so der Journalist, Morddrohungen ausgesetzt gewesen, weil
er eine brasilianische Prostituierte vor ihren Zuhältern schützte. Der Autor stellte klar, daß zwischen dem Referee und dem
Mädchen absolut nichts gelaufen war, aber Herr Ferretti habe sich das Schicksal des Mädchens »zu Herzen genommen« und es zu
»befreien« versucht. Zuerst bedrohten die Zuhälter ihn, dann verlangte man Geld, anfangs zwanzigtausend Euro, dann weitere
dreißigtausend, dann nochmals fünfzigtausend. Doch als die Forderungen immer weiter stiegen – am Ende auf zweihundertfünfzigtausend
–, beschloß der Referee, die Zuhälter anzuzeigen, weshalb man ihn eliminiert habe.
Die Carabinieri hätten diese Geschichte dank eines Schlüsselzeugen rekonstruiert, eines Freundes, dem Ferretti seine Lage
geschildert habe. Oberst Salvatore Lo Bianco und seine Leute seien, wie Dall’Olio schrieb, von Anfang an hinter dieser Spur
hergewesen, allerdings heimlich, und nachdem man den Beweis für die Zahlungen gefunden hätte, habe man die Schlinge zugezogen.
Saggese war in der Nacht, in aller Verschwiegenheit, verhaftet worden, die Vorwürfe lauteten auf organisierte Prostitution
und unerlaubten Waffenbesitz, |281| im Büro seines Nachtclubs war nämlich eine nicht registrierte Pistole gefunden worden. Aber der Journalist ließ durchblicken,
daß es nur eine Frage von Stunden sei, bis der Hauptvorwurf – der Mord am Schiedsrichter – bestätigt werde. Der Haftbefehl
sei von Oberstaatsanwalt Angelini ausgestellt worden, was Luciani ziemlich spanisch vorkam, denn das wäre eigentlich Delrios
Aufgabe gewesen. Zu der jungen Prostituierten machte der Artikel keine genaueren Angaben, gab nur zu verstehen, daß sie sich
an einem geheimen Ort befinde, unter dem Schutz der Carabinieri. Marco Luciani setzte ein fieses Lächeln auf: Wer weiß, ob
ihr das etwas bringt, daß sie den Personenschutz der Zuhälter durch den der Carabinieri ersetzt hat. Wer weiß, wer bei der
Gratisverköstigung die höheren Ansprüche stellt.
Er legte die Zeitung beiseite und wußte nicht, sollte er sich ängstigen oder erleichtert sein: Die Geschichte steckte voller
absurder Widersprüche und unsinniger Hypothesen. Ist ja schön und gut, wenn man sich etwas aus den Fingern saugt, um den Namen
des Verblichenen zu schützen und der Familie nicht auf den Schlips zu treten, aber wer gibt schon so viel Geld aus, weil er
sich das Los einer Nutte »zu Herzen nimmt«? Und was den Geldtransfer anging: Ferrettis Konten hatten sie auch durchleuchtet
und nichts Verdächtiges gefunden. Die einzige größere Abhebung, um die vierzigtausend Euro, datierte noch aus dem Vorjahr.
Die Witwe hatte erklärt, das Geld habe man für Renovierungsarbeiten in Haus und Garten gebraucht, und es war ein leichtes,
das zu überprüfen. Das Auftauchen eines »Schlüsselzeugen«
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