freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
je weniger Leute seine Identität kennen, desto besser. Eine elementare Sicherheitsmaßnahme, die Schutzgeldmafia
kennt kein Pardon, und die würden nicht zweimal fragen, ehe sie ihn eliminieren. Sein Name muß
top secret
bleiben.«
Vielleicht muß er top secret bleiben, weil es nicht gut aussieht, wenn der Manager eines Fußballclubs einem Schiedsrichter
zweihundertfünfzigtausend Euro leiht, oder besser: schenkt, dachte Marco Luciani.
»Und die Brasilianerin?« fragte er.
»Für die gilt dasselbe. Ihre Identität muß geheim bleiben, wenn nötig wird sie beim Prozeß preisgegeben.«
Marco Luciani kratzte sich am Kinn. »Aber steht sie schon unter Personenschutz?«
Angelini machte eine vage Geste, seine Stimme nahm ein anderes Timbre an: »Sagen wir, sie wird beobachtet. Im Moment kann
sie uns so nützlicher sein.«
Der Kommissar gab sich Mühe, nicht mit der Wimper zu zucken. Der Staatsanwalt wollte ihm zu verstehen geben, daß sie das Mädchen
als Köder für die Komplizen benutzten. Aber irgend etwas sagte ihm, daß er log und daß sie keinen blassen Dunst hatten, wo
sie steckte.
»Aber die Beweise für die Zahlung, für den Geldtransfer, die habt ihr gefunden?«
|295| »Sicher. Das ist der Königsbeweis. Alles schwarz auf weiß.«
»In den Kontoauszügen haben wir keinerlei Spuren gefunden.«
Angelini lächelte ein wenig genervt, als hätte er es mit einem zurückgebliebenen Kind zu tun. »Nun, Herr Kommissar, es gibt
viele Zahlungsmöglichkeiten … Sie werden doch nicht annehmen, daß der Schiedsrichter das Geld überwiesen hat.«
»Bevor man zahlen kann, egal wie, muß man das Geld zumindest abheben. Und das Vermögen des Schiedsrichters wurde nicht angetastet.
Vielleicht hat er das Geld von jemand anderem bekommen?«
Angelini tat, als hätte er nichts gehört, aber seine Gereiztheit war unübersehbar. Er schwieg einen Moment, dann drückte er
die Taste der Sprechanlage und bat darum, daß man seinen Wagen bereitmachte.
»Ich habe eine letzte Frage, Herr Staatsanwalt. Wie kommt es, daß Sie, der Sie anfangs von einem Selbstmord ausgingen, jetzt
plötzlich zur Mordtheorie neigen?«
Der Staatsanwalt setzte ein höhnisches Grinsen auf: »Ich lasse mich auf keine voreiligen Schlüsse ein, Herr Kommissar. Ich
habe, nach Prüfung der von den Carabinieri gelieferten Beweise, schlichtweg meine Meinung geändert. Ich kann jetzt nicht auf
Details eingehen, aber sagen wir, daß die derzeit laufenden Durchsuchungen ein wichtiges, oder besser: fundamentales Indiz
zutage fördern könnten.«
Marco Luciani wollte weitere Einzelheiten erfragen, aber da klopfte Angelinis Begleitschutz an die Tür.
»Ich muß jetzt los, Herr Kommissar. Ich bin schon spät dran. Zermartern Sie sich nicht das Hirn, der Fall ist praktisch abgeschlossen,
und die Carabinieri leisten ganze Arbeit. Wie ich bereits Ihrem Vize sagte: Laßt sie in Ruhe und kommt ihnen nicht in die
Quere.«
|296| Er setzte eine Kunstpause, dann sah er zu ihm hoch. »Das ist kein Ratschlag, das ist ein Befehl.«
»Wollen Sie sagen, daß mir der Fall offiziell entzogen ist?«
»Das hängt von Ihnen ab. Angesichts Ihrer glänzenden Karriere würde ich Ihnen diese Demütigung gerne ersparen. Aber sollten
Sie mich dazu zwingen, werde ich nicht davor zurückschrecken. Wenn Sie dagegen meinen Rat annehmen wollen, dann halten Sie
ein paar Tage lang still. In wenigen Stunden wird der Richter dem Haftgesuch stattgeben, und danach werden wir in aller Ruhe
unsere Arbeit machen können. Wenn Sie dann unsere Anträge auf Anklageerhebung lesen, werden Sie sich davon überzeugen, daß
alles ordnungsgemäß abgelaufen ist. Im Verborgenen, in aller Bescheidenheit, ohne Großmannssucht. Wie man es immer tun sollte«,
schloß er mit geblähter Brust und zusammengepreßten Kiefern.
Marco Luciani verabschiedete sich kühl, ging voraus an die Tür und schaute zu, wie Angelini mit seinen beiden Leibwächtern
verschwand. Dann drehte er sich um, weil er zum Aufzug wollte, wäre aber fast mit einem Anwalt, den er vom Sehen kannte, zusammengeprallt.
»Entschuldigen Sie.«
»Nichts passiert … Herr Kommissar, Sie sind das! Was für eine Freude!« rief der andere mit übertriebener Emphase aus. Er drückte
ihm kräftig die Hand, und Marco Luciani spürte, wie er ihm einen Zettel zusteckte. Der Kommissar erwiderte den Gruß, wobei
er sich eine ähnliche Begeisterung an den Tag zu legen bemühte; er lud den Anwalt zu einem Kaffee ein,
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