freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
doch dieser lehnte
ab, er sei in Eile: »Ein andermal gern.« Dann verschwand er.
Der Kommissar ließ den Zettel in seiner Tasche verschwinden, lief die Treppe des Justizpalastes hinunter und suchte sich ein
ruhiges Eckchen, wo er die Botschaft lesen konnte. Sie war per Computer geschrieben und lautete |297| schlicht: »Sivori-Kino, Saal A, 17.50 Uhr, vorletzte Reihe.« Keine Unterschrift. Er sah sich unwillkürlich um und war ein
wenig verstört, als wäre er plötzlich in einem amerikanischen Agententhriller gelandet.
Er schaute auf die Uhr: Es war schon nach sechs. Dank der Warterei bei Angelini war er zu spät dran. Er konnte sich nicht
einmal die Frage stellen, ob das eine Falle, ein Scherz oder der mögliche Durchbruch war. Mit seinen Storchenbeinen steuerte
er schnell das Kino an, und nach nicht einmal drei Minuten stand er an der Kasse. In Saal A lief eine Antonioni-Retrospektive:
»Mein geheimnisvoller Freund will sichergehen, daß das Kino leer ist«, kicherte er. Die Kassiererin sagte, der Film habe bereits
begonnen, er erwiderte: »Macht nichts, dafür gehe ich, bevor er zu Ende ist«, und ließ sie sprachlos sitzen.
Der Saal war praktisch leer, bis auf fünf, sechs Zuschauer, die in den mittleren Reihen konzentriert waren. Die vorletzte
Reihe war frei, Marco Luciani ging durch, setzte sich auf einen Platz weitab vom Eingang und wartete.
Er verfolgte einige Minuten des Films, gähnte und stöhnte und war kurz vor dem Einschlafen, als er plötzlich die Augen aufriß:
Zu seiner Rechten war jemand aufgetaucht. Luciani sah ein Profil mit langer Nase, das ihm zuflüsterte: »Schauen Sie auf die
Leinwand.«
Marco Luciani fuhr zurück. »Was ist los, Herr Kommissar? Habe ich Sie erschreckt?«
»Nein, aber entschuldigen Sie, was machen Sie denn hier?«
»Schauen Sie nicht mich an, sondern den Film.«
»Okay. Aber der ist eine Zumutung.«
Der andere steckte ihm eine kartonierte Mappe zu. »Nehmen Sie das unter die Lupe. Es könnte interessant sein. Von mir haben
Sie es nicht, und wir haben uns nie gesehen. Ich liege mit Grippe zu Hause.«
|298| »Was ist das?«
»Sie werden schon sehen. Ich habe einige Freunde losgeschickt, um da ranzukommen, aber alles inoffiziell, ohne Autorisierung.
Ich habe dem Material nicht viel entnehmen können, Ihnen wird es mehr sagen. Und noch einmal: Das existiert offiziell gar
nicht, sprechen Sie also mit niemandem darüber.«
Marco Lucianis Profil nickte zustimmend.
»Kommen Sie morgen um zwei ins Aquarium. Das Haifischbecken. Da werden wir in aller Ruhe reden.«
Dann stand Michele Delrio auf und verschwand in der Dunkelheit.
Der Junge hat zu viele Agentenfilme gesehen, dachte der Kommissar. Er wartete ein paar Minuten, dann ging er auf die Toilette
und öffnete die Mappe. Sie enthielt die Verbindungsübersichten der Telefonanschlüsse.
Als er zur Apartment-Anlage kam, war er todmüde. Sofia Lanni ließ ihm ein heißes Bad ein, worin er lange verweilte, sehnsüchtig
darauf wartend, daß sie zu ihm in die Wanne käme. Als er anfing, vor Kälte zu schlottern, stieg er aus dem Wasser. Er war
ein wenig enttäuscht, doch kaum hatte er die Tür geöffnet, sah er, daß das Mädchen auf einem Sessel im Wohnzimmer wartete.
Es trug eine Polizeimütze über dem hochgesteckten Haar, außerdem eine Uniformjacke. Sie spielte mit einem Gummiknüppel und
wippte leicht mit einem Bein, das sie über die Armlehne geschlagen hatte, so daß der schwarze hochhackige Stiefel blinkte.
Marco Luciani war sofort erregt. Keine Frau hatte je so leicht seine intimsten erotischen Wünsche durchschaut. Sofia Lanni
erhob sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit, legte ihre Fingernägel auf seine Brust und hob eine Augenbraue: »Geh in das Zimmer
da.«
|299| Der Kommissar gehorchte. Er mochte es, wenn die Frau die Initiative ergriff.
»Zieh den Bademantel aus und leg dich aufs Bett.« Er erfüllte den Befehl, wobei er gleichzeitig stolz und verlegen war angesichts
seiner Erektion.
»Jetzt schließ die Augen. Und rühr dich nicht, sonst bekommst du den hier zu spüren.«
Sie breitete eine Binde über seine Augen, zog sie fest und verknotete sie so, daß er nichts sehen konnte. Er roch ihre Haut,
dann spürte er eine Brustwarze, die seine Lippen kitzelte. Er versuchte daran zu lecken, doch sie war schon weg. Sofia Lanni
hielt etwas in Händen, das einen metallischen Ton von sich gab. Sie zog seine Arme hoch, legte ihm mit einer schnellen Bewegung
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