freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
und da hatte die Detektivin ihn
nach Belieben manipuliert.
»Es ist sinnlos, daß ich darüber nachdenke. Du mußt nicht mich, sondern Giampieri überzeugen«, sagte er.
Sie zuckte mit den Schultern. »Das wird nicht schwer sein.«
Sie wandte sich ab und stöckelte majestätisch davon. Und wie immer löste dieser Gang eine heftige Begierde in Marco Luciani
aus.
Er ging langsam Richtung Porto Antico. Er hatte jetzt einen Blick auf das Meer nötig, mußte die Augen über einen möglichst
weiten Horizont schweifen lassen, mußte die Lügen und miesen Tricks dieses verfluchten Falls hinter sich lassen. Wahrlich
verflucht, dachte er, ich hätte ihn gleich jemand anderem überlassen sollen, von Anfang an. Er hatte sich viel zu sehr involvieren
lassen, in jeder Hinsicht, und er würde als gebrochener Mensch daraus hervorgehen.
Er holte die Brieftasche aus der Jacke und betrachtete zum tausendsten Mal den Kassenbon, den er bei Ferretti gefunden hatte
und den er von Anfang an bei sich behalten |372| hatte, ohne jemandem davon zu erzählen, wofür nur ein obskurer Instinkt oder das Schicksal verantwortlich sein konnten. Oder
viel einfacher und trauriger: seine Revanche- und Rachegelüste, sein Bedürfnis, mit seinen Ermittlungen den ganzen Profifußball
in Angst und Schrecken zu versetzen und sich selbst für all die Ungerechtigkeiten und Demütigungen zu entschädigen. Luciani,
der unbestechliche Luciani, hatte den Beweis für Selbstmord zuerst geflissentlich vergessen und dann bewußt versteckt.
Er betrachtete den Bon in der Hoffnung, Namen und Zahlen hätten sich wie durch Zauberhand verändert, aber sie lauteten noch
immer: IKEA in Genua, Sonntag morgen, 8. Mai, 11.15 Uhr. Als Betrag stand noch immer vier Euro, achtzig Cents da. Der Preis
einer Wäscheleine Liukka, der Preis für ein Menschenleben.
Herr Ferretti hatte das Seil vor der Partie und nach den letzten, verzweifelten Anrufen bei der Brasilianerin gekauft. Wer
weiß, womöglich hatte er sich noch eine Hintertür offengelassen, vielleicht hoffte er noch auf Rettung, während er die erste
Halbzeit pfiff, doch dann hatten ihm der ungerechtfertigte Elfer und der höhnische Applaus den Rest gegeben. Es war offensichtlich,
daß die Verkäuferin bei Upim log, daß sie eine manipulierte Zeugin war, die man gezielt eingesetzt hatte, damit der Fall einen
für Angelini, Rebuffo, Colnago und den ganzen Profifußball möglichst günstigen Ausgang nahm. Der Kommissar hatte die Attacken
der Hooligans pariert, hatte dem Korruptionsversuch getrotzt, den Enthüllungen der Presse und dem Druck des Oberstaatsanwalts
standgehalten, er hatte die falsche Spur der Schutzgeldmafia entlarvt, aber am Ende war er auf klassische Weise in die alte,
unfehlbare Mausefalle getappt. Sofia Lanni hatte eine sensationelle Möse und ein ebenso brillantes Köpfchen, er hatte ihr
aus der Hand gefressen, und jetzt schnappte die Falle zu.
|373| Natürlich wußte die Detektivin nicht, daß er den Beweis für den Kauf des Seils hatte und ihre falsche Zeugin leicht auffliegen
lassen konnte. Und sie bedachte nicht, daß die IKEA-Leine, die der Schiedsrichter benutzt hatte, zwangsläufig eine andere
war als die, die bei Upim verkauft wurden, und daß ein Gutachten sie auch in dieser Hinsicht enttarnen konnte.
Aber was erzähle ich da? dachte Marco Luciani. Dieser Kassenbon ist inzwischen Altpapier, ich habe ihn als Beweismaterial
unterdrückt und kann ihn jetzt bestimmt nicht wieder hervorzaubern. Und die Leine, nun, wenn sich alle einig sind, daß der
Fall diese Wendung nehmen soll, dann wird dieses Detail sicher niemanden aufhalten. Sofia Lanni wird irgendeinen Gutachter
manipulieren oder Nicola überreden, nicht allzu beckmesserisch zu sein. Es genügt, daß sie ihm sagt, es sei zu meinem Besten,
oder daß sie ihn zum Abendessen einlädt und die Autoschlüssel versteckt. Wenn sie es nicht schon getan hat … Die Vorstellung
von Sofia und Nicola – den beiden nackt auf einem riesigen Doppelbett – tat weh.
Er fühlte sich verloren und dachte, daß es nur einen Menschen gab, der ihm ein wenig Durchblick verschaffen konnte.
Sandro Baffigo lag wieder auf seinem Bett in der Intensivstation. Überall ragten Schläuche aus seinem Körper, vier Computer
zeichneten mit grünen Graphen und Leuchtanzeigen jede kleinste Herz- oder Hirntätigkeit auf. Das Gerät, das sein Blut gereinigt
hatte und nun wieder in seinen Kreislauf pumpte, ähnelte
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