freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
länger
aufhalten.«
Er hob den Blick wieder, wollte der Witwe zum Abschied die Hand geben, dachte dann aber, daß sie die Geste |109| wohl nicht erwidern würde. Die philippinische Hausdame brachte ihn zur Tür. Er stieg ins Auto und fragte sich, weshalb der
Jaguar auf dem Vorplatz stand und nicht in einer Garage, wo er vor Staub sicher gewesen wäre.
»Gehört dieser Wagen der gnädigen Frau?« Die Philippinin kontrollierte mit einem Schulterblick, daß ihnen die Hausherrin nicht
gefolgt war, dann schüttelte sie den Kopf.
»Gehörte er dem Gatten?«
Noch ein Kopfschütteln.
»Wem dann?«
Das Mädchen deutete leicht mit dem Kinn Richtung Villa. Der Besitzer mußte also im Haus sein, es jedoch vorgezogen haben,
sich nicht zu zeigen. Der Kommissar schrieb sich das Kennzeichen auf und nahm sich vor, es zu überprüfen. Als er den Blick
hob, sah er Luca, der ihn vom Fenster seines Zimmers aus beobachtete.
Bei Tageslicht betrachtet sah das »Basic Instinct« nicht wie eine Abzocke für Dorftrottel aus, in der verdünnter Whiskey und
billige Mädchen gereicht wurden, sondern wie ein New Yorker Loft aus einem Fachmagazin für Innenarchitektur. Farbige Wände,
riesige abstrakte Gemälde, winzige Tische, die über den ganzen Raum verteilt waren, niedrige Lampen, ein dekadenter Stil,
in dem sich kitschiges Gold, Rot und Schwarz mit Leopardendesign mischten. In der Mitte eine Tanzfläche, die wohl auch zu
kleineren Darbietungen diente, in der Luft hingen drei oder vier Plattformen mit Stahlstangen für die Stripperinnen. Im hinteren
Bereich waren die Séparées mit kleinen Sofas und Tischen, rechts eine spektakuläre schneeweiße Bar, die Baffigo wohl wie die
Vorstufe zum Paradies erschienen wäre. Der Kommissar warf einen Blick auf die beiden Blondinen, die auf den Barhockern saßen,
und versuchte sich vorzustellen, wie |110| der Laden am Abend aussah, mit Musik und entsprechender Beleuchtung, die Mädchen in Miniröcken, die Kellner, die die Lampen
zum Schwingen brachten. Er verstand nun, warum dies hier als die exklusivste Adresse für einsame Herzen galt. Schon der Eintritt
belief sich auf hundert Euro (ohne Getränke), und die Preise auf der Karte waren sicher entsprechend. Gepfefferte Preise sind
letztlich immer noch die einfachste und wirkungsvollste Methode, die Kundschaft auszusieben. Von der Mitgliedskarte, die hier
Pflicht war, ganz zu schweigen.
Die Blondinen tranken Cola und sahen zu Luciani herüber, weder neugierig noch abschätzig. Sie waren ausgesprochen attraktiv,
hatten markante Wangenknochen und helle Augen, trugen enganliegende Blusen und Hosen; aber sie hatten weder gewagte Schlitze
im Kleid noch waren sie übermäßig geschminkt, und Marco Luciani fragte sich, ob er auf der Straße erkannt hätte, womit sie
ihren Lebensunterhalt verdienten. Sie schienen aus der Ukraine oder sonst einem osteuropäischen Land zu stammen, das merkte
man an ihrem beharrlichen Blick. Ruhig, direkt, entschlossen: Wir kosten soundso viel, wenn es dir paßt – hier sind wir. Amen.
Der Chef des Nachtclubs, ein athletischer Mann um die Fünfzig, reichlich Gel im langen Haar, steuerte mit einem aufgesetzten
Lächeln auf Luciani zu. Er ahnte, mit wem er es zu tun hatte, auch ohne Visitenkarte.
»Kommissar Luciani?«
»Der bin ich.«
»Giuseppe Saggese, sehr angenehm. Unser gemeinsamer Freund hat ihren Besuch angekündigt, aber Sie hätten ein bißchen später
kommen sollen. Am Abend ist das Lokal viel gemütlicher, das wird Ihnen Ihr Kollege gesagt haben. Was will man machen, inzwischen
kenne ich hier praktisch alle Dienststellen.«
|111| Du bist ja ein ganz Ausgeschlafener, dachte Marco Luciani. Er hatte ihn vom Chef der Turiner Sittenpolizei anrufen lassen,
damit er den Laden am Nachmittag aufmachte. Saggese hatte das schlecht abschlagen können, aber jetzt wollte er eine Position
der Stärke beziehen. Deshalb ließ er durchblicken, daß er über die richtigen Verbindungen verfügte und Lucianis Kollegen schon
oft einen Gefallen getan hatte.
»Aber tagsüber läßt es sich besser reden, meinen Sie nicht?«
Sein Gegenüber lächelte: »Ach ja, sicher. Kommen Sie, wir setzen uns in mein Büro. Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten?«
»Ein Lemonsoda, wenn Sie das haben. Andernfalls ein Glas Wasser mit einer Scheibe Zitrone.«
»Wasser. Wollen Sie mich beleidigen, Herr Kommissar? Nehmen Sie einen Whiskey, oder ich mixe Ihnen einen Cocktail … Sagen
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