FreeBook Nomenclatura - Leipzig in Angst
für Statistik und Wahlen ausgebildet werden ...“
„Bei Herrn Dr. Gutmeyer?“
„Ja. Dem Münchner, genau. Der war auch ein paar Mal hier und hat Emanuel abgeholt, wenn irgendwelche Sitzungen waren. Der hat sich ziemlich oft um Emanuel gekümmert, um ihm die Politik beizubringen – so sagte es der Herr Dr. Gutmeyer.“
„Der war hier?“ Die Blicke von Hanni Polterer und Holger Hinrich trafen sich in der Mitte des Tisches. In beiden Köpfen arbeitete es fieberhaft. „Hat der Dr. Gutmeyer auch den kleinen Erik gesehen?“
„Ich glaube ja. – Warum fragen Sie?“
Gerade in diesem Moment kamen Lotte und kurz darauf Leuthäuser zurück. Der nahm sich einen Stuhl, quetschte ihn zwischen die Kommissare und ließ sich schwerfällig darauf nieder. Er war etwas korpulenter als Hanni Polterer. In seinen Händen zitterten die Papiere. Ein sehr altes Dokument wurde von einer versiegelten Folie geschützt. „Da.“
Hinrich nahm das alte Pergament, konnte jedoch nichts entziffern. „Das sind böhmische Dörfer für mich.“
Wieder schob Leuthäuser seine Brille zurecht. „Ich muss Ihnen einen geschichtlichen Abriss unserer Stadt erläutern ...“ Jetzt war er in seinem Element. „Vor ungefähr 6.000 Jahren besiedelten die ersten Menschen das Gebiet an Pleiße und Elster. Etwa 700 Jahre nach Christi lebten ein paar Slawen hier, die sich vermehrten und eine Siedlung gründeten. Um die Siedlung herum standen viele Linden, also wurde sie nach dem altsorbischen Wort Lipzi benannt. Damals gab es schon den Unterwerfungsgedanken der Deutschen, vor allem durch die Feudalherren durchgesetzt. Diese deutschen Feudalherren unterwarfen sich die slawischen Bauern und errichteten in den Jahren nach 928 die deutsche Burg, damals Urg Lipzi genannt. So um die erste Jahrtausendwende siedelten sich einige Kaufleute und Handwerker auf dem Platz vor dieser Burg an, so dass die Siedlung rasch wuchs. 1165 erteilte Markkraf Otto von Meißen der Urbs Lipzi das Stadtrecht. Damals hätten Sie jeden Täter schneller gefunden, es lebten gerade mal 500 Leute fest in der Stadt. 1212 beginnt man die Thomaskirche zu bauen, 1216 folgt die erste Montagsdemo in der Stadt. Der vom Meißner Markgraf eingesetzte Stadtherr Dietrich von Meißen sollte vom Volk vernichtet werden, damals wurde das Volk jedoch blutig niedergeschlagen. 1270 wurde der erste Stadtrat gewählt, der erste OBM hieß Schultheiß. Na, ja ... 1307 wird in der Thomaskirche der Markgraf Diezmanns ermordet, 1481 wurde das erste richtige Buch der Welt in Leipzig gedruckt ... Da passierte noch so allerhand im Laufe der Zeit ... Irgendwann kam der Schmalkaldener Krieg ... Wissen Sie etwas darüber?“
Hinrich und die Hamburgerin zuckten mit den Schultern. „Ging es da nicht um Luther oder so?“, fragte der Kommissar, der noch keine Zusammenhänge mit seinem Fall erkennen konnte.
„Ja, ging es auch.“ Leuthäußer zündete sich erneut eine Zigarette an. „Im Jahre 1531 trafen sich einige evangelische Lutheraner, vor allem Fürsten. Damals waren sich die Hessen und Sachsen ziemlich einig, dass man den katholischen Kaiser, Karl den Fünften, an seiner Machtausübung hindern sollte. Bremen und Magdeburg, später Hannover, Augsburg, Pommern ... na, so einige traten dem Schmalkaldischen Bund bei. Der Kaiser jedenfalls sah den Dingen nicht lange zu, die Evangelischen galten immerhin als Ketzer. Also schloss er 1546 einen Bund mit dem Papst, um die kaiseruntreuen Gebiete und Städte platt zu machen. 1547 wird die Stadt Leipzig von kaisertreuen Truppen belagert. Darauf komme ich gleich zurück. – Philipp von Hessen und Johann Friedrich von Sachsen – die beiden Anführer des Aufstandes der Evangelischen – wurden niedergeschlagen und in die Niederlande verbannt, die Katholiken gewannen also zunächst. Doch schon ein paar Jahre später drehte sich der Spieß. Moritz von Sachsen – im Schmalkaldener Krieg noch vom Kaiser schamlos zum Verrat des sächsischen Volkes gezwungen, sah seinen Fehler ein, verbündete sich unter anderem mit dem französischen König Heinrich dem Zwoten, was dazu führte, dass die Katholiken im Augsburger Landfrieden 1555 klein beigeben mussten. Da stand denn „cuius regio, eius religio“ geschrieben, was heißt, der jeweilige Landsherr konnte nun die Konfession für sein Land und die Untergebenen festlegen.“ Nun erst holte Leuthäußer Luft.
„Ich bewundere Leute, die sich das alles merken können“, meinte Hanni Polterer. „Und aus dieser Zeit ist das
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