freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
hielt ihn auch davon ab, ihr nachzueilen.
Es wäre ohnehin zu spät gewesen.
Die beiden Männer neben dem Spalt im Fels fuhren im gleichen Moment zusammen und herum. Einer von ihnen – Tjerg – senkte seinen Speer und richtete die Spitze auf Urds Gesicht, der andere machte zwei Schritte zur Seite und zog sein Schwert. Ihre Bewegungen waren schnell, nicht mit denen Thors oder gar der Einherjer zu vergleichen, aber schnell genug, um ihm klarzumachen, dass diese Männer ihr Handwerk verstanden und dass er sie wohl würde töten müssen.
Er hatte keinen Streit mit diesen Männern. Sie waren nicht seine Feinde. Trotzdem richtete er sich behutsam etwas weiter auf und löste Mjöllnir vom Gürtel.
Eine schmale Hand legte sich auf seinen Unterarm und hielt ihn fest, und als er hinter sich sah, blickte er in Elenias Gesicht. Sie schüttelte wortlos den Kopf.
»Stehen bleiben!«, sagte Tjerg scharf. »Wer bist du? Gib dich zu –«
Er brach mitten im Wort ab, und Thor glaubte seine Überraschung regelrecht zu spüren. »Du?«, murmelte er. Dann verbesserte er sich hastig: »Ihr?«
»Immerhin scheinst du noch nicht blind zu sein«, antwortete Urd. Ihre Stimme hörte sich dunkler an, ein wenig älter und … energischer, wie die eines Menschen, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen. »Auch wenn ich mich frage, ob ihr auf eurer Wache geschlafen habt. Wenn ich der wäre, auf den ihr wartet, dann wärt ihr jetzt beide tot. Ist euch das klar, ihr Dummköpfe?«
War das Mut, dachte Thor, oder einfach nur Tollkühnheit?Oder … Er blinzelte, sah noch einmal hin, aber selbst er war für einen winzigen Moment nicht mehr sicher, tatsächlich Urd zu sehen. Sie hielt den Kopf leicht gesenkt, sodass die beiden Männer ihr Gesicht vermutlich nicht genau erkennen konnten, und sie trug Sigislinds Kleid, das auffällig genug war, um selbst im schwachen Dämmerlicht erkannt zu werden, und sie sprach vielleicht nicht wirklich mit Sigislinds Stimme, aber eindeutig mit ihrer Betonung und Wortwahl. Sie bewegte sich sogar wie die Frau aus Oesengard, und wenn Tjerg und seinem Begleiter der einzige wirkliche Unterschied – ihre Haarfarbe – auffiel, dann zu spät. Urd hatte nur einen winzigen Moment im Schritt gestockt, als er den Speer in ihre Richtung geschwenkt hatte, und ging dann umso schneller weiter, und ihre Stimme wurde eine Spur schärfer.
»Habt ihr irgendetwas Auffälliges bemerkt? Und wo, bei Hel, sind Bjorn und dieser elende Dummkopf Sverig?«
Thor begriff endlich, was sie vorhatte, schob Elenias Hand mit sachter Gewalt zur Seite und hob den Hammer. Er würde den zweiten Krieger nicht verschonen können, selbst wenn es Urd gelang, Tjerg abzulenken oder auch zu überwältigen. Aber vielleicht musste er ihn nicht töten, auch wenn ein zerschmetterter Arm oder ein steifes Bein in einer Zeit wie dieser gleichwohl einem Todesurteil nahe kommen konnten.
Er spannte die Muskeln, visierte den Mann an und versuchte die Kraft abzuschätzen, die er brauchte, um ihn auszuschalten, ohne ihn tödlich zu verletzen, und Urd bückte sich mit einem letzten energischen Schritt unter Tjergs Speer hindurch.
Der Krieger keuchte überrascht, als er ihr Gesicht erkannte, und dann noch einmal und in einer sonderbar pfeifenden Tonlage, als Urds Hand eine wischende Bewegung machte und scharf geschliffenes Metall zwischen ihren Fingern aufblitzte. Roter Nebel sprühte aus Tjergs geöffneter Kehle, und Urd führte ihre Bewegung in einem weit ausholenden Schwung zu Ende, der einen matt silbernen Blitz aus ihrer Hand fliegen ließ. Tjergs Kamerad blieb nicht einmal genug Zeit, einen erschrockenen Ruf auszustoßen. Die Klinge versank bis zum Heft in seinemHals. Noch am Leben und mit zuckenden Gliedern, aber sterbend und unfähig, auch nur den mindesten Laut von sich zu geben, brach er zusammen.
Urd war mit zwei schnellen Schritten bei ihm, rollte ihn mit einem Fußtritt auf den Rücken und wartete ab, bis seine Bewegungen erlahmten. Dann zog sie das Messer mit einem Ruck aus seiner Kehle und wischte die blutige Klinge an seinem Mantel ab.
Alles war so schnell gegangen, dass Thor kaum Zeit gefunden hatte, es wirklich zu begreifen, geschweige denn irgendetwas zu tun . Ein Teil von ihm empfand nichts als pures Entsetzen – aber da war auch noch eine andere Stimme in ihm, die Urd für die Schnelligkeit und Präzision ihres Vorgehens bewunderte.
»Worauf wartet ihr?«, fragte Urd. »Dass noch mehr kommen, die wir töten müssen?«
Sie wartete
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