freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
sanfte Streicheln ihrer Finger auf seiner Stirn.
»Urd?« Seine Kehle war so ausgedörrt, dass ihm selbst dieses kleine Wort Mühe bereitete.
»Ich sollte dich jetzt eigentlich fragen, wie du dich fühlst, aber ich glaube, ich kenne die Antwort bereits.« Er hörte mehr, als er sah, wie sie den Kopf schüttelte und ihn mit besorgten Blicken musterte. »Ich wusste ja, dass du großen Wert auf Sauberkeit legst … aber wenn du das nächste Mal ein Bad nehmen willst, dann spring nicht in den Hafen. Oder warte wenigstens, bis es wärmer geworden ist.«
»Ja, das ist witzig«, krächzte Thor. Schon diese wenigen Worte taten ihm weh, aber er spürte auch, wie seine Stimmbänder an Geschmeidigkeit gewannen, und auch seine Gedanken bewegten sich nicht mehr ganz so holperig. Nur die Augen spielten ihm weiterhin böse Streiche. Urd saß weniger als eine Armeslänge neben ihm, aber sie blieb ein flacher Schemen ohne Gesicht. Vielleicht war es hier drinnen auch einfach so dunkel, dass er nicht mehr sehen konnte.
»Das war nicht witzig, es war ziemlich dumm«, antwortete sie. »Ich bin nur nicht sicher, wer der größere Dummkopf ist – Barend, auf diese haarsträubende Idee zu kommen, oder du, es tatsächlich zu tun.« Sie machte eine ungeduldige Geste, als er zu einer mühsamen Antwort ansetzte. »Ich weiß, anderenfalls hätte Sverig dich gesehen, und das wäre noch schlimmer gewesen. Warum bist du nicht hierhergekommnen, statt dich in diesem Stall zu verkriechen?«
Die richtige Antwort hätte gelautet: Weil ich dann über die Straße hätte laufen müssen und Sverig oder sonst einer von Bjorns Männern mich gesehen hätte, aber er sparte es sich, das auszusprechen. Jedes Wort bedeutete noch immer eine Mühe, die er sich genau überlegte.
»Hast du … mich gefunden?«, fragte er stattdessen.
»Gundri«, antwortete Urd, und irgendetwas an der Art, auf die sie diesen Namen aussprach … störte ihn. Aber der Gedanke entglitt ihm, noch bevor er wirklich danach greifen konnte. »Du hattest sehr viel Glück, Thor. Wäre ihr Vater selbst in den Stall gegangen, um nach den Pferden zu sehen, dann wärst du jetzt nicht hier. Aber er war zu sehr damit beschäftigt, mit diesem Dummkopf Bjorn um die Wette zu trinken, und hat seine Tochter geschickt. Sie hat dich gefunden und uns alarmiert.«
»Und wer hat mich hierhergebracht?«
»Lif und … Elenia«, antwortete sie, und wieder hatte er dasGefühl, dass dieses unmerkliche Zögern etwas bedeutete, aber auch jetzt erschien es ihm viel zu mühsam, wirklich darüber nachzudenken. Die kleine Bewegung, mit der er den Kopf drehte, um die Schale neben ihm sehnsuchtsvoll anzustarren, war schon fast mehr, als er zustande brachte.
Urd musste seinen Blick bemerkt haben, denn der Schatten, als den er ihre Gestalt wahrnahm, streckte die Hand nach der Schale aus. Zu seiner Enttäuschung allerdings nicht, um sie ihm an die Lippen zu setzen. Vielmehr stand sie auf und verschwand für einen langen Moment in der Dunkelheit. Thor hörte sie mit irgendetwas hantieren, dann ein Geräusch, als würde Wasser aus einem anderen Gefäß in eine Schale gegossen. Allein der Laut fachte seinen Durst neu an; aber sie kam noch nicht zurück, sondern tat … irgendetwas.
»Wie geht es dir?«, fragte er.
»Wie es mir geht?« Aus irgendeinem Grund schien sie im allerersten Moment mit dieser Frage nichts anfangen zu können, dann aber lachte sie, ebenso leise wie unecht und antwortete eine Spur zu hastig: »Mit dem Kind ist alles in Ordnung, wenn du das meinst. Es dauert noch eine Weile.« Sie hantierte weiter mit irgendetwas herum. Stoff raschelte, vielleicht Leder, dann kam sie zurück und ließ sich mit überraschender Leichtigkeit im Schneidersitz neben ihm nieder, die Schale mit beiden Händen haltend. Ihr Gesicht blieb im Schatten, als sie sich vorbeugte und sie an seine Lippen setzte.
Thor trank, aber schon der allererste Schluck zeigte ihm, dass es jetzt nicht mehr nur Wasser war, das er trank. Das also hatte sie getan.
»Trink vorsichtig«, sagte sie. »Es sei denn, du willst gleich wieder einschlafen … und das möchtest du doch nicht, oder?«
»Was hast du hineingetan?«, fragte er zwischen zwei Schlucken. Das Wasser war kühl und schmeckte köstlich, hinterließ aber ein leises Prickeln auf seiner Zunge, rasch gefolgt von einem noch leiseren und durchaus angenehmen Gefühl der Taubheit.
»Das braucht dich nicht zu interessieren. Vertrau mir einfach. Du weißt doch, ich bin eine
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