freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
Schecken zu sehen. Sehr viel mehr Pferde standen jetzt in den schmalen Holzverschlägen, und einige davon offenbar noch nicht sehr lange. Obwohl sie alle abgezäumt und sorgsam trocken gerieben waren, dampften etliche von ihnen noch vor Kälte, und Thor sah den Tieren ihre Erschöpfung an.
Er erkannte auch mindestens eines von ihnen wieder: Einen kräftig gebauten Wallach, dem es umgekehrt offenbar genauso erging, denn bei seinem Eintreten hob er den Kopf und begrüßte ihn mit einem matten Schnauben.
Thor erinnerte sich, dass Bjorn dieses Tier oft geritten hatte.
Er war ein wenig erschrocken – aber warum eigentlich? Dass Sverig und Bjorn hierher nach Oesengard kamen, hätte ihn nicht überraschen dürfen. Zwar würden sie wohl kaum annehmen, dass Urd und er wirklich so dumm waren, sich ausgerechnet hier zu verstecken, sondern waren vermutlich eher gekommen, um mit ihren alten Verbündeten zu reden und vielleicht Neues über den Krieg zu erfahren, von dem Sjöblom ihm erzählt hatte. Aber nun waren sie hier, und jetzt würde es ganz bestimmt nicht mehr lange dauern, bis sie erfuhren, dass er hier in Oesengard war. Er musste weg, und er musste vor allem Urd und die Kinder warnen.
Thor spürte, wie sich seine Muskeln noch weiter verkrampften und er mit den Zähnen zu klappern begann, und erneut schlug das Gefühl von Kälte in reinen Schmerz um. Die Kälte würde ihn umbringen, wenn er nichts unternahm. Aber was? Zurück ins Gasthaus oder gar an Sjöbloms warmen Kamin konnte er nicht, nicht einmal in seine eigene jämmerliche Dachkammer. Und sein nächster Gedanke, nämlich zu Urd in ihr Versteck zu eilen und sie zu warnen, war mindestens genauso undurchführbar. Thor zweifelte nicht daran, dass er den geheimen Eingang in das unterirdische Labyrinth wiederfinden würde, aber um dorthin zu gelangen, musste er ein Stück die Straße entlanggehen, und das war viel zu riskant.
Das Zittern seiner Glieder wurde stärker. Thor biss die Zähne aufeinander, um ein Stöhnen zu unterdrücken, und hob die rechte Hand vor das Gesicht. Sie war bläulich verfärbt und zitterte heftig, egal wie angestrengt er versuchte, es zu unterdrücken, und seine Finger zogen sich allmählich zu einer Kralle zusammen. Wenn Sverig ihn in diesem Zustand überraschte, dann brauchte er seine Axt nicht, um ihn zu töten. Es reichte, wenn er ihn umwarf und zusah, wie er dabei in Stücke zerbrach.
Ungeschickt, weil ihm seine steifen Finger den Gehorsam verweigerten, streifte er den nassen Mantel von den Schultern, wandte sich zur Tür und machte dann noch einmal kehrt, um stattdessen tiefer in den Stall hineinzugehen. Der Schecke begrüßte ihn mit einem erfreuten Schnauben und einer Bewegung, wie um nach ihm zu schnappen – die er allerdings nicht zu Ende führte –, und Thor tätschelte ihm im Vorbeigehen den Hals. Selbst diese kleine Bewegung tat weh.
Durch die schmalen Ritzen zwischen den Brettern hatte er einen eingeschränkten Blick auf den Hafen und zumindest auf die hintere Hälfte der Windsbraut. Barend und Sverig standen noch immer auf dem Deck und redeten. Natürlich war er viel zu weit entfernt, um ihre Worte zu verstehen oder auch nur den Ausdruck auf ihren Gesichtern zu erkennen, aber er sah, dassSverig heftig zu gestikulieren begonnen hatte und mit seiner Axt herumfuchtelte. Das musste nichts bedeuten – Sverig fuchtelte immerzu mit seiner Axt herum –, aber es gefiel ihm nicht.
Thor sah den beiden ungleichen Männern eine Zeit lang zu und wartete darauf, dass seine Glieder aufhörten, um die Wette zu zittern oder wenigstens der Schmerz in seinen Fingern und Zehen ein wenig nachließ, hatte aber das Gefühl, dass es eher schlimmer wurde. Zwischen seinen Schläfen hatte sich ein dumpfer Schmerz eingenistet, und seine Gedanken schienen sich immer langsamer zu bewegen. Ein Teil von ihm war sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass er die Folgen der Unterkühlung spürte und sich durchaus in Gefahr befand. Sie hatten grausamere Kälte in den Bergen überstanden, aber das hier war etwas anderes. Die Kälte und seine nassen Kleider würden ihn umbringen, wenn er nichts unternahm, und es gab noch eine andere und weit größere Gefahr. Das Denken fiel ihm immer schwerer, und er würde kaum noch reagieren können, wenn etwas geschah. Vielleicht würde er es nicht einmal rechtzeitig bemerken.
Der Schecke schnaubte, und Thor hob fast ohne sein Zutun die Hand, um ihn zu streicheln, trat aber dann stattdessen von der Bretterwand
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