freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
Körper auch in undurchdringliches schwarzes Eisen gehüllt, und ein kalter, leicht metallisch riechender Wind schlug ihm entgegen, während er an den Rand des schwarzen Balkons trat und sich vorbeugte, um in die Tiefe zu blicken.
Wieder rief das unsichtbare Horn zum Kampf, und die rauen Schreie aus zahllosen Kehlen griffen den Laut auf und schleuderten ihn trotzig einem schwarzen Himmel entgegen, an dem noch nie eine Sonne gestanden hatte. Etwas … kratzte an seinem Bewusstsein, wie das Scharren harter Fingernägel, ein Klopfen und Zerren von etwas, dass sich Gehör verschaffen wollte. Er war sich noch immer vollkommen des Umstandes bewusst, nur einen Traum zu erleben, in dem die Dinge eine bestimmte Bedeutung vermitteln wollten, ohne sie indes zu zeigen – zugleich aber auch, dass all dies auf eine schreckliche Art wahr war, dass es diesen Ort mit seinen unheimlichen Bewohnern und seiner noch viel unheimlicheren Bedeutung gab .
Er musste erwachen, nicht nur aus diesem Traum, sondern auch aus einem anderen, den er schon seit langer Zeit träumte, ohne sich dessen bewusst zu sein. Er musste sich erinnern. Nichts von dem, was geschehen war, war Zufall. Er war nicht zufällig in diesem Tal, er war entsandt worden , um etwas ganz Bestimmtes zu tun, und vielleicht war der Grund, aus dem er all das hier vergessen hatte, genau das, weswegen man ihn ausgeschickt hatte. Aber nun war die Zeit beinahe abgelaufen, die Frist, die er sich erbeten hatte, fast verstrichen, und der Tag der Entscheidung rückte heran. Aber wie sollte er sich entscheiden, wenn er doch nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten hatte, die beide gleich entsetzlich waren?
Das Horn rief zum dritten Mal zur Schlacht, und dieses Mal war es nicht mehr der Chor der Einherjer, der auf seinen Klang antwortete, sondern ein düsteres Heulen, das an- und abschwoll und dabei jedes Mal eine Winzigkeit lauter wurde. Wölfe. Es waren Wölfe, die er hörte.
Mit einem einzigen weiteren Schritt war er bei der Balkonbrüstung und beugte sich vor.
Obwohl ein Teil von ihm wusste, wo er sich befand, erschrak er bis ins Mark, als er sah, wie weit die Klippe aus schwarzer Lava unter ihm in die Tiefe stürzte; vielleicht eine Meile, vielleicht zwei, vielleicht auch hundert. Armeen bewegten sich dort unten, gewaltige Heere, die in die Schlacht zogen und dem Schicksal trotzige Lieder entgegenschleuderten, gefolgt von etwas Dunklem und Kaltem, das sich weigerte, Gestalt anzunehmen.
Und direkt unter ihm, durch den unheimlichen Zauber des Traumes wider jede Logik so genau zu erkennen, als brauchte er nur den Arm auszustrecken, um ihn zu berühren, saß ein riesiger weißer Wolf und starrte ihn an.
Eine Hand berührte ihn an der Schulter, und nun drehte er sich doch herum und blickte in ein Gesicht, das im allerersten Moment sein eigenes war, dann gar keines und schließlich zu dem von Urd wurde, noch bevor er auch nur Zeit fand, zu erschrecken. Der Traum verblasste, versuchte noch einmal, die Wirklichkeit mit schwarzen Spinnweben zu überlagern undlöste sich dann vollends auf, aber das Gesicht vor seinen Augen blieb das von Urd.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie.
Thor nickte, richtete sich umständlich auf und bemerkte erst dann, dass er sie gepackt hatte und fest genug hielt, um ihr wehzutun. Hastig zog er die Hand zurück. »Ja«, antwortete er. »Warum?«
»Du hattest einen schlechten Traum?«, vermutete Urd.
»Habe ich geschrien?« Tatsächlich war in seinem Mund ein schlechter Geschmack, und seine Kehle fühlte sich wund an, als hätte er geschrien.
Urd machte eine verneinende Geste. »Du warst unruhig, und du sahst irgendwie … erschrocken aus. Willst du mir davon erzählen?«
Vielleicht hätte er das sogar, wäre er nur selbst sicher gewesen, was dieser sonderbare Traum zu bedeuten hatte – wenn es ein Traum gewesen war –, aber Urds Verhalten verwirrte ihn beinahe mehr als die Erinnerung an … was auch immer es gewesen war. Sie war ein kleines Stück von ihm weggerückt und massierte ihr Handgelenk, aber das Flackern in ihren Augen war nicht auf den Schmerz zurückzuführen, den er ihr unwillentlich zugefügt hatte.
»Ich habe geschrien.«
»Nein«, log sie wenig überzeugend. Dann hob sie die Schultern und ließ ihr Handgelenk los. »Jedenfalls nicht sehr laut. Aber du hast … geredet.«
»Geredet? Was?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete sie. »Eigentlich war es nur Gestammel … was man eben im Schlaf so murmelt.« Sie versuchte zu
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