Freibeuter der Leidenschaft
nehmen würde.“
Amanda vergaß ihre Angst vor Lady Harrington. Sie beugte sich vor: „Du warst arm?“
„Und viel zu rundlich für den modischen Geschmack.“ Lizzie lachte.„Nun, ich bin immer noch rundlich, aber Tyrell scheint es zu gefallen. Jedenfalls“, fuhr sie fort, als Eleanor sie anstieß, „um es kurz zu machen, Tyrell stand so hoch über mir in Rang und Vermögen, dass ich ebenso gut ein Hausmädchen hätte sein können. Und er war mit Lady Harrington verlobt.“
Amanda machte große Augen. „Was geschah dann?“
„Wahre Liebe“, sagte Lizzie mit einem breiten Lächeln, und Eleanor kicherte. „Es war seine Pflicht, Blanche zu heiraten, aber er warb um mich. Freundlicherweise hat Blanche ihre Verlobung gelöst, weil sie aus irgendeinem Grund nicht heiraten will. Und dann standen wir plötzlich vor dem Altar und sprachen das Gelöbnis.“
„Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute“, sagte Eleanor und tätschelte Amandas Hand. „Tyrell verliebte sich schon in Lizzie, ehe sie überhaupt etwas davon ahnte. Eines solltest du über die Männer und Frauen in unserer Familie wissen – ein de Warenne liebt einmal und dann bis in alle Ewigkeit.“
Amanda lächelte. „Das klingt sehr romantisch.“
Lizzie sagte: „Es wird alles gut gehen. Blanche ist eine sehr freundliche Frau, und wir haben uns all die Jahre immer gut verstanden.“
Eleanor sagte: „Nicke nur, lächle und sprich nicht.“ Dann lächelte sie breit.
„Eleanor“, ermahnte sie die Countess, als die Kutsche langsamer wurde.
Eleanor sah Amanda an und wurde ernst. „Ich sage in Gesellschaft niemals meine ehrliche Meinung, Amanda. Meine Ansichten sind zu gewagt, und ich weiß das. Aber wenn ich zu Hause bin oder mit Sean zusammen, dann tue ich genau das, was ich will. Gelegentlich fluche ich sogar. Und wenn wir schon dabei sind, ich bin eine hervorragende Reiterin, und ich reite niemals im Damensattel.“
Amanda versuchte noch, diese Neuigkeit zu verarbeiten, während sie immer wieder verstohlene Blicke auf die Front des dreistöckigen Hauses warf. Lizzie war es gelungen, sie abzulenken, aber nur für kurze Zeit, und ihr tat alles weh, so angespannt war sie. Die Lakaien der de Warennes öffneten die Kutschentür. „Aber du bist eine Dame“, widersprach sie.
„Niemand im ton mag eine Frau, die ihre Meinung sagt, aber hinter verschlossenen Türen ist das ganz etwas anderes.“ Eleanor lächelte ihr zu.
„Eleanor, bitte. Liebes“, sagte die Countess zu Amanda. „Es gibt einen Mittelweg. Lächeln Sie höflich und wählen Sie Ihre Worte mit Bedacht aus. Aber die Damen haben recht. Sie werden es gut machen, und Blanche ist sehr lieb.“ Während sie das sagte, stieg die Countess aus der Kutsche.
Amanda wusste nicht, was sie jetzt denken sollte, vor allem, als sie sich wieder an das erinnerte, was Clive ihr zum Schluss zugeflüstert hatte. Sie stieg als Letzte aus und folgte den drei Frauen die breite steinerne Treppe hinauf. Oben angekommen, warf sie einen Blick zu der enormen Fontäne in der Mitte der Auffahrt, zwischen den geometrisch angelegten Gärten: verglichen mit Harrington Hall wirkte Harmon House klein und gemütlich. Ihr Herz schlug vor Aufregung so schnell, dass sie sich einer Ohnmacht nahe fühlte.
Sie wurden durch eine weitläufige Halle geleitet, vorbei an alten Gemälden, bis zu einem großen Salon mit drei kristallenen Kronleuchtern und mehr Sitzgelegenheiten, als man zählen konnte, während die Countess angekündigt wurde. Amanda erstarrte, als eine außerordentlich elegante Dame den Raum betrat.
Blanche Harrington war absolut makellos, so schön war sie. Ohne dass sie auch nur ein Wort sagte, wusste Amanda, dass sie ein Musterbeispiel für damenhafte Erscheinung war. Sie war sehr zurückhaltend in ein smaragdgrünes Kleid gewandet, doch an ihren Ohrläppchen und an ihrem Finger funkelten Diamanten. Außerdem bewegte sie sich mit der Eleganz und dem Selbstvertrauen von jemandem, der mit außerordentlichem Reichtum und Einfluss geboren wurde. Aber ihr Lächeln war herzlich, und sie und Mary de Warenne umarmten einander statt zu knicksen.
„Ich freue mich so, dich zu sehen, Mary“, sagte Blanche Harrington und meinte ihre Worte offensichtlich ernst.
„Und ich bin sehr froh, heute hier zu sein, Blanche.“
Blanche wandte sich um, lächelte Lizzie und Eleanor zu und ließ den Blick auch auf Amanda ruhen. „Es ist viel zu lange her, Lizzie! Und Eleanor, ich glaube, ich habe dich
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