Freibeuter der Leidenschaft
hatte sie so leise wie möglich die Tür geöffnet, als er sagte: „Was machst du da?“
Sie drehte sich um und zwang sich zu einem Lächeln. In dem Augenblick, da sie ihn ansah, war sie abgelenkt, wie er so in ihrem Bett saß, vollkommen nackt, wunderschön. Einen Moment lang vergaß sie, was sie tun wollte, aber dann fiel ihr wieder der Brief ein, den sie hinter dem Rock ihres Hausmantels verborgen hielt. „Ich wollte ein Hausmädchen suchen und um etwas Wein bitten und vielleicht etwas zu essen.“
Aber in Wahrheit hatte sie vor, eine Nachricht zu den Docks zu schicken. Wenn MacIver den Anweisungen glaubte, die sie ihm schicken wollte, dann würde er sie morgen nach Hause bringen, mit der nächsten Flut würden sie auslaufen. Da Amanda gesehen hatte, wie Clive Anweisungen an seine verschiedenen Mannschaften schrieb, war sie zuversichtlich, dass MacIver nicht zögern würde, die neuen Befehle zu befolgen.
Ihr drohte das Herz zu brechen. Morgen Abend würde sie auf See sein. Sie durfte nicht daran denken, wie verletzt und zornig Clive sein würde. Früher oder später würde er eine andere Geliebte finden, die ihn trösten würde. Dieser Gedanke verursachte ihr Bitterkeit, und sofort schämte sie sich.
Clive gähnte und streckte sich, und ihr Herz schlug schneller, während ihr heiß wurde. Ein ganz besonderer Glanz erschien in seinen Augen.„Eine ausgezeichnete Idee. Frag nach Champagner – und dann komm wieder her.“ Er schenkte ihr ein sanftes, aber verführerisches Lächeln, bei dem ihr noch wärmer wurde.
Ich werde niemals aufhören, ihn zu lieben, dachte sie.
So viel Kummer stand ihr bevor. Sie war davon überzeugt, dass er bald kaum noch an sie denken würde, und irgendwann würde er sie ganz vergessen haben. Aber sie lächelte ihn an und glitt aus dem Zimmer. „Ich komme gleich wieder“, sagte sie.
„Beeil dich“, murmelte er.
Und als sie ein Hausmädchen fand, konnte sie nur daran denken, wie zornig er sein würde, wenn er von ihrem Betrug erfuhr.
21. Kapitel
Amanda saß in dem gemieteten Hansom vor Belford House, die kleineren Reisetaschen zu ihren Füßen. Es fiel ihr schwer nachzudenken, noch schwerer, aus der Kutsche zu steigen. Sie hatte beschlossen, ein letztes Mal mit ihrer Mutter zu reden, ehe sie London verließ. Sie hatte sich nicht von Clive verabschiedet, und Trauer erfüllte sie. Natürlich konnte sie ihm so nicht gegenübertreten – es wäre zu schwierig nach der Nacht, die sie miteinander verbracht hatten. Ihr war bewusst, dass sie sich feige verhielt.
Sie verschloss die Augen fest gegen die aufsteigenden Tränen und weinte für sie beide. Er hatte sie am Morgen in außerordentlich heiterer Stimmung verlassen, hatte ihr gesagt, dass er sie vor dem Essen noch einmal sehen würde, nicht ahnend, dass sie bis zum Abend weit draußen auf dem Meer sein würde. Beinahe sofort war er aus dem Haus gegangen, leichten Schrittes. Vom Fenster ihres Schlafzimmers aus hatte Amanda zugesehen, wie er davoneilte, während ihr Herz in wildem Protest schlug und sie sich neu in ihn verliebte, ihn beinah zurückgerufen hätte. Wieder und wieder musste sie sich daran erinnern, dass irgendwann, früher oder später, sich ihre Wege auf den Inseln wieder kreuzen würden. Aber welchen Unterschied machte das? Sie würde nicht seine Geliebte werden, selbst wenn er das wollte, denn das würde nichts nützen, genauso wenig wie sie ihn heiraten würde, nur weil er sich dazu verpflichtet fühlte. Sie seufzte, wischte sich über die Augen und trat auf die Straße.
Der Kutscher spuckte Kautabak auf die Erde.
Amanda ging zum Haus und klingelte, während sie sich um Fassung bemühte. Einen Moment später stand sie in der Eingangshalle und versuchte, sich auf einen letzten Moment mit ihrer Mutter einzurichten. Es war so seltsam, das Wort Mutter zu denken, und dabei keine wirklichen Gefühle von Zuneigung gegenüber Dulcea zu empfinden. Aber eine Tatsache blieb bestehen: Dulcea war Amandas leibliche Mutter, und sie hatte zwei weitere Kinder, die Amandas Halbgeschwister waren. Sie musste sie ein letztes Mal sehen, ehe sie London für immer verließ.
Dulcea kam in die Halle gelaufen, mit großen Augen, lächelnd. „Amanda! Du hast deine Meinung geändert! Ich bin so froh, dass du gekommen bist.“ Sie blieb stehen und tat sehr überrascht. „Ich sehe keine Taschen? Bist du nicht gekommen, um bei mir zu wohnen?“
„Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden. Ich sagte dir doch, ich kehre nach Hause
Weitere Kostenlose Bücher