Freibeuter der Leidenschaft
würde nicht so enden, wie sie es sich vorstellte. Es würde überhaupt nicht enden.
Er war ein de Warenne. Amanda gehörte zu ihm, jetzt und für immer, und er würde ihr folgen, bis er sie gefunden und für sich gewonnen hatte. Wenn sie ihn einmal geliebt hatte, dann würde er sie dazu bringen, das wieder zu tun.
Aber als er die Hafenanlagen erreichte, hatte er sofort das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Clive war auf halbem Wege zu den Büroräumen seiner Schifffahrtsgesellschaft, als ihr klar wurde, was es war. Er hielt sein Pferd an, lenkte es herum und schaute absolut entsetzt auf den leeren Platz, an dem die Fair Lady liegen sollte, wo sie noch gestern und in der vergangenen Nacht vor Anker gelegen hatte.
Einen Moment lang starrte er nur dorthin, mit rasendem Puls und einem Rauschen in den Ohren.
Und dann schien seine Welt stillzustehen, wie vor einem großen Kampf. Als er sprach, geschah es so leise, dass kein Vorüberkommender ihn hätte hören können. „Wo zum Teufel ist mein Schiff?“
Zehn Tage später saß Amanda in Clives Kabine an dem portugiesischen Schreibtisch, vertieft in eine Geschichte über Alexander den Großen. Sie war entschlossen, nicht in Trauer zu versinken – oder, was noch schlimmer wäre, in Reue – und das Einzige, was dagegen half, war Lesen. Zum ersten Mal in ihrem Leben vermied sie es, an Deck zu gehen. Sie brachte es nicht einmal fertig, Mac oder einem der anderen Offiziere auf dem Achterdeck zu begegnen, ohne Clive dort vor sich zu sehen und sich an jedes Detail zu erinnern: wie sie gemeinsam am Ruder gestanden hatten, unter den Sternen, mit dem Wind gesegelt waren – einige der glücklichsten Momente ihres Lebens. Wenn sie sich an jene Tage erinnerte, dann dachte sie auch an die Zeit in Harmon House, an die Mahlzeiten mit der Familie, bei denen Clive ihr am Esstisch gegenüber gesessen hatte, an den Nachmittag, an dem er sie den Walzer gelehrt hatte, an die Ballnacht bei den Carringtons, eine Nacht voll bittersüßer Erinnerungen. Und sie konnte sich mühelos immer und immer wieder an den Tag und die letzte Nacht zurückerinnern, an dem sie einander ebenso zärtlich wie leidenschaftlich geliebt hatten. Wenn der Kummer sie überkam, dann ganz und gar, und es war ihr unmöglich, dem Einhalt zu gebieten.
Es war besser, weder nachzudenken noch zu schlafen. Stattdessen hatte sie in diesen zehn Tagen ein Dutzend Bücher gelesen.
Ihre Augen schmerzten und brannten, genau wie ihr Rücken von der gebeugten Haltung. Sie hielt einen Moment lang inne und dachte an Clives Lächeln, an sein schönes Gesicht, die strahlendblauen Augen, die so sanft blickten vor Herzlichkeit und Zuneigung. Amanda holte tief Luft, sprang auf die Füße, ging auf und ab, versuchte, sein Bild beiseite zu schieben, und wenn das nicht funktionieren sollte, es hinter sich zu lassen. Doch wieder sah sie ihn vor sich, wie sein Lächeln verschwand und seine Augen dunkel wurden vor Verlangen.
Ihr wurde gleichzeitig heiß und kalt. Wenn sie erst einmal anfing, an ihn zu denken, dann würde sie ihn verzweifelt begehren und gleichzeitig würde sie sich elend fühlen wegen ihres Verlusts.
Schlimmer noch, weil sie ihn so sehr liebte, fragte sie sich wieder und wieder, was er wohl gefühlt und gedacht haben mochte, als er entdeckt hatte, dass sie fort war und nur einen Brief zurückgelassen hatte. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er wütend sein würde, weil sie sein Schiff genommen hatte. Aber sie glaubte, er würde sich auch verletzt fühlen, denn was immer sie auch sonst noch gewesen sein mochten, sie waren gute Freunde gewesen. Sie hatte ihn betrogen, indem sie ihn verließ und die Fregatte mitnahm, nach allem, was er für sie getan hatte, und sie wusste, dass er es genauso sehen würde, in Schwarz und in Weiß, nicht in Grau.
Sie fragte sich, ob er sie jetzt überhaupt noch als Freundin ansehen würde. Sie wusste, sie würde nicht darauf verzichten können, ihn auf Windsong zu besuchen, wenn er wieder in Kingston war, aber sie würde verzweifelt sein, wenn er sie zurückwies.
Natürlich würde es so besser sein. Aber sie konnte sich ein Leben ohne Clive irgendwie nicht vorstellen.
Ein Klopfen ertönte an der Kabinentür. Amanda ging, öffnete und sah einen jungen Matrosen dort stehen. „Miss Carre? Der Kapitän will mit Ihnen sprechen.“
Amanda schluckte und sah Clive vor sich, wie er in seinem Leinenhemd, einer marokkanischen Weste, der weißen Hose und hohen Stiefeln am Ruder stand. Aber
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