Freibeuter der Leidenschaft
hinter ihr. Sie starrte einen Moment lang auf die geschlossene Schlafzimmertür und hoffte, dass er erschien. Er tat es nicht.
Sie schluckte. „Ich habe es versprochen, Papa. Erinnerst du dich nicht?“ Auf einmal fiel ihr das Sprechen schwer.
Ich erinnere mich, Mädchen .
Sie konnte ihn jetzt sehen, wirklich sehen, wenn auch nur in ihrer Vorstellung. Sie wischte sich die Tränen ab. „Ich habe es dir bei der Hinrichtung versprochen. Das habe ich. Du weißt, dass ich mein Wort immer halte. Ich werde gehen.“ Angst überkam sie, stark und heftig. Sie würde alles, was ihr vertraut war, hinter sich lassen müssen. Was, wenn Mama sie nicht so liebte, wie Papa es behauptet hatte?
Ich weiß, Mädchen. Ich bin so stolz auf dich … Er lächelte sie an.
Amanda erschauerte. „Ich bin nicht so sicher, Papa, ob Mama mit mir zufrieden sein wird.“
Sie liebt dich, Mädchen.
Amanda wollte ihn daran erinnern, dass sie die Tochter eines Piraten war, aber das Bild ihres Vaters verschwand. Himmel, was tat sie da? Sie sprach mit sich selbst – oder mit einem Toten. Hatte sie gerade den Geist ihres Vaters gesehen? Sie zitterte. Es war egal. Sie hatte es versprochen, und sie würde dieses Versprechen halten, was sie auch tun musste, um nach England zu kommen. Sie würde sich doch nicht vor einem fremden Ort fürchten! Bestimmt würde ihre Mutter sie mit einer Umarmung und Freudentränen empfangen.
Also musste sie sich auf die Reise konzentrieren. Amanda biss sich auf die Lippen. Rodney hatte ihr geraten, mit de Warenne zu segeln. Konnte sie ihn irgendwie davon überzeugen, sie auf einem seiner Schiffe mitfahren zu lassen? Sie dachte daran, wie freundlich er gewesen war, oder zumindest, dass er freundlich erschienen war. Papa hatte gewollt, dass sie mit de Warenne segelte, weil er ein Gentleman war, und dem konnte Amanda nur zustimmen. Aber wie sollte sie für die Überfahrt bezahlen?
Sie besaß nicht viel. Sie hatte ihren Dolch, ihre Pistole, ihren Degen, Kleider zum Wechseln und die Goldkette mit dem Kreuz, die ihrem Vater gehört hatte. Sie hatte nicht vor, sich von irgendetwas davon zu trennen, und außerdem würde de Warenne dafür kaum Verwendung haben. Es gab nur eine Möglichkeit, für die Überfahrt zu bezahlen. Sie würde ihm ihren Körper anbieten.
Amanda erstarrte. Sie war nicht beunruhigt, sie hatte Angst. Jeder Akt, dem sie bisher unfreiwillig zugesehen hatte, war abscheulich gewesen. Gouverneur Woods hatte sich abstoßend verhalten. Sie hatte nie verstanden, warum die Paare, die sie beobachtet hatte, so voller Lust gewesen waren. Erst recht nicht hatte sie verstanden, was daran so aufregend sein sollte, dass Männer und Frauen ihren gesunden Menschenverstand verloren.
So nervös wie nie zuvor in ihrem Leben verließ Amanda das Schlafzimmer. De Warenne hatte behauptet, dass seine Absichten ehrbar waren, und seltsamerweise hatte sie ihm geglaubt. Aber gewiss würde er ihren Körper als Bezahlung für die Passage akzeptieren. Kein Mann, den sie kannte, würde so ein Angebot ablehnen. Sie konnte es sogar noch dadurch versüßen, dass sie ihm sagte, dass sie eine Jungfrau war, dass kein Mann sie bisher berührt hatte.
Sie fand sich in einem langen Gang mit weißen Wänden wieder, mit schönen Ölgemälden, schimmernden Holzdielen und farbenfrohen orientalischen Teppichen. An beiden Seiten gab es Treppen mit Geländern aus goldschimmerndem Messing, die zu der Halle unten führten. Amanda ging zu der, die ihr am nächsten war, und begann, die Treppe hinunter zu steigen.
Ihre Schritte wurden langsamer. Die vordere Halle war so groß wie ihr ganzes Haus in Belle Mer. Zum ersten Mal blickte sie zur Decke hinauf, von der der größte Kristallleuchter herabhing, den sie je gesehen hatte. An den Wänden hingen üppige Teppiche und noch mehr Ölgemälde. Die Möbel – Stühle, Tische und Bänke – waren alle aus poliertem Mahagoni, mit Klauenfüßen, gepolstert mit Samt oder Damast und kunstvoll geschnitzt. In der Mitte einer der Wände gab es eine Flügeltür, und Amanda erkannte den vorderen Eingang des Hauses. Offene Bögen führten zu weiteren Räumen.
Sie zögerte unsicher, und dann sah sie den Butler.
Er betrat gerade die Halle, ein leeres Silbertablett flach auf der Hand, als trüge er immer noch Erfrischungen darauf. Im nächsten Augenblick sah er sie, erbleichte und blieb stehen. Mit lautem Scheppern fiel das Tablett zu Boden.
Amanda ging auf ihn zu. „He da. Wo ist de Warenne?“
Er sah sie wütend an
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