Freibeuter der Leidenschaft
den Regen und den Sturm.“ Und an ihren lebhaften Traum. Aber den würde sie niemals erwähnen, schon gar nicht ihm gegenüber.
Er sah sie immer noch an, dann zuckte er die Achseln.
Sie biss sich auf die Lippen. „Sind Sie böse, dass ich verschlafen habe?“
„Nein.“ Er lächelte nicht. „Wir haben unseren Kurs gehalten, und ich schätze, wir sind unserem Plan um zwei oder drei Tage voraus. Außer natürlich, wir kommen noch in eine Flaute. Jedenfalls erteile ich Alexi jetzt ein paar Lektionen.“
Sie war entlassen. Amanda war enttäuscht und fühlte sich, als hätte ein kühler, verschlossener Fremder seinen festen Körper und sein schönes Gesicht in Besitz genommen. „Sie sind böse auf mich“, flüsterte sie. „Aber ich weiß nicht warum.“
„Warum sollte ich mit Ihnen böse sein?“ Sein Blick zeugte jetzt von seiner Ungeduld, und bisher war er nie mit ihr ungeduldig gewesen. „Wir haben eine Übereinkunft, Sie und ich, haben Sie das vergessen? Sie widmen sich Ihrem Unterricht, und ich kümmere mich um die Begegnung mit Ihrer Mutter. Uns läuft die Zeit davon.“
Traurigkeit stieg in ihr auf. Trotzdem versuchte sie sich einzureden, dass er kein kalter, gleichgültiger Fremder geworden war, sondern dass ihre Freundschaft blieb. Vielleicht war er noch müde nach der langen Nacht. Sie nickte langsam und wandte den Blick nicht von seinem Gesicht. „Na schön, ich verstehe. Und Sie haben recht. Ich muss bei Mama und Ihrer Familie und allen anderen einen guten Eindruck hinterlassen, und mir bleiben nur noch zehn Tage, um das zu schaffen. Ich habe viel zu tun.“ Die Furcht schnürte ihr die Kehle zu. Wie sollte sie in nur zehn Tagen eine Dame werden?
Er zögerte, dann wurden seine Züge weicher. „Ich traue es Ihnen zu, Amanda.“
Erleichtert schloss sie die Augen, denn hier war nun der Mann, den sie liebte und den sie so dringend brauchte. Dann sah sie ihm in die Augen. „Wenn ich meine Lektionen beendet habe, darf ich Ihnen dann beider zweiten Wache Gesellschaft leisten?“ Ihr Tonfall klang flehend, sie konnte nicht anders.
Seine Miene verfinsterte sich. Ungläubig erkannte sie, dass er sie zurückweisen würde. „Damen halten nicht die zweite Wache.“
Sie konnte es nicht glauben. „Warum tun Sie das?“
„Weil ich allmählich fürchte, dass ich Sie in ihren wilden Manieren noch gefördert habe. Es ist am besten, wenn Sie sich ganz dem damenhaften Benehmen widmen.“
„Aber das habe ich!“, stieß sie hervor. „De Warenne, bitte! Für Momente wie den letzte Nacht lebe ich! Ich liebe es, unter den Sternen zu segeln, und das wissen Sie. Heute Nacht werden wir klaren Himmel und mäßige Winde haben. Es wird eine gute Nacht zum Segeln sein.“
Er hob eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. „Wie wollen Sie den Tag über studieren und mit mir die halbe Nacht Wache stehen?“
„Das kann ich!“, rief sie aus. „Und wenn Sie mir die zweite Wache verweigern, dann, verdammt, will ich keine Dame sein.“
Seine Miene war verschlossen. „Sie werden sich nur selbst schaden, wenn Sie jetzt mit Ihren Lektionen aufhören.“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn Sie mich mitmachen lassen, werde ich mich doppelt anstrengen, de Warenne, das schwöre ich. Und sollten Sie glauben, dass meine schulischen Leistungen wegen der Wache nachlassen, dann werde ich damit aufhören. Aber bis dahin bestrafen Sie mich bitte nicht, wenn ich mich so sehr anstrenge, das zu tun, worum Sie mich gebeten haben.“ Sie fühlte, wie Tränen in ihr aufstiegen. „Wir sind Kameraden! Ich weiß, dass auch Sie das wissen.“
Er war bleich und holte tief Luft. „Ich versuche nicht, Sie zu bestrafen. Nun gut. Solange Sie sich weiter nach Kräften bemühen, solange Sie nicht zu müde sind, um Ihre Aufgaben zu erfüllen, dürfen Sie mir Gesellschaft leisten.“
Amanda stützte sich auf die Reling, so erleichtert war sie. „Ich werde die beste Schülerin sein, die Sie je gesehen haben.“
Endlich wurde seine Miene freundlicher. „Dann schlage ich vor, Sie halten sich hier nicht länger auf.“
Sie lächelte, hätte ihn am liebsten geküsst, überlegte es sich dann anders, sprang auf das Deck zurück und rief nach Michelle.
Amanda eilte zum Achterdeck, wo de Warenne allein am Ruder stand, ein hochgewachsener Mann im Schein der Sterne. Sie hatte nie mehr Energie für etwas aufgewandt, und sie war erschöpft, aber sie wollte nicht schlafen gehen. Diese Nacht wollte sie das große Schiff segeln, eins
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