Freibeuter der Leidenschaft
mit ihm und dem Meer. Auf die gemeinsame Wache hatte sie sich den ganzen Tag über gefreut.
Ungewohnt schüchtern blieb sie unterhalb des Achterdecks stehen. „De Warenne?“
Es dauerte einen Moment, ehe er sich zu ihr umdrehte. Noch bevor sie ihm in die Augen sehen konnte, wandte er sich ab. „Gewährt.“
Er benimmt sich seltsam, dachte sie und eilte die drei Stufen hinauf, um dann atemlos neben ihm stehen zu bleiben. Sie spürte seine machtvolle Gegenwart, und ihr wurde heiß. All ihre Muskeln spannten sich an in dem Bewusstsein, dass er so nahe war.
Ich muss den Verstand verloren haben, dachte sie. Sie holte tief Luft, aber die Nacht roch nach ihm. Er musste dasselbe fühlen wie sie. Nur wenn er das tat, warum zog er sie dann nicht in seine Arme? Oder war das nur Wunschdenken?
Langsam sah sie zu ihm hoch, doch sie konnte kein Lächeln zustande bringen.
Er sah sie so konzentriert an, dass es ihr den Atem raubte. Sofort wandte er sich ab. Verwirrt und erschrocken betrachtete sie jetzt den Bugspriet, erfüllt von Verlangen. Offenbar war der Traum, den sie letzte Nacht gehabt hatte, ihr Verderben gewesen.
Es ließ sich nicht leugnen, dass seine Stimmung schlecht war. War er nicht zufrieden mit ihr? Oder war etwas geschehen, von dem sie nichts wusste?
„Ich habe heute sehr viel gearbeitet“, begann sie versuchsweise. Sie würde alles tun, um ihn wieder zum Lächeln zu bringen.
Er nickte, ohne sie anzusehen. „Das berichtete Anahid mir schon. Ich bin zufrieden.“
Sie erschauerte plötzlich. Er war wieder dieser kühle Fremde, aber warum? „Ich dachte, es würde Sie glücklich machen.“
Es schien ihm schwerzufallen, sie anzusehen. „Ich bin sehr zufrieden mit den Fortschritten, die Sie heute gemacht haben.“
Amanda betrachtete sein ernstes Profil. Letzte Nacht, in ihrem Traum, hatte er sie geküsst, als tränke er aus der Quelle ihrer Seele. Beinahe konnte sie seine Zunge in ihrer Kehle spüren. Und dann hatte er sein Gesicht zwischen ihre Brüste gepresst, sie liebkost, bis sie unglaubliche Lust empfunden hatte. Der Wunsch, sich vorzubeugen und nach seiner Berührung, seinem Kuss zu verlangen, überwältigte sie beinah.
Plötzlich sagte er, nachdem er sich geräuspert hatte: „Michelle sagt, morgen werden Sie sich ein Buch aus meiner Bibliothek aussuchen.“
Sie nickte und hoffte, er wäre zufrieden genug, um sie anzulächeln. „Er sagt, es würde Arbeit für mich bedeuten, aber wir werden uns einen Abschnitt vornehmen und die Wörter zusammen finden.“
Er drehte sich zu ihr um. „Was wollen Sie lesen?“
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und ihr Herz schlug schneller. „Ich möchte über Irland lesen.“
Ihre Blicke begegneten sich. „Warum?“
„Ich weiß alles über meine alte Heimat und das Segeln“, sagte sie und konnte ihre Erregung nicht verbergen. Sie lächelte. „Ich kann alle Kontinente benennen und alle Meere. Papa hat mich das gelehrt. Jetzt will ich etwas über die Welt erfahren.“
Er ließ den Blick über sie gleiten.„Irland ist nicht die Welt.“
„Ich weiß. Aber mit Irland will ich anfangen, mit seiner Geschichte und Kultur, und dann mit England und Frankreich weitermachen.“ Sie lächelte. „Was meinen Sie?“
Er sah sie an und ließ den Blick dann weiterschweifen. „Ich meine, dass das ein bewunderungswürdiges Ziel ist. Aber warum Irland?“
Weil ich Sie liebe, dachte sie, und weil Sie ein Ire sind, der seine Heimat liebt. Sie sagten, es sei der schönste Ort der Welt. Sie erwog eine Antwort. „Sie haben mir ein wenig darüber erzählt, wie es war, auf Adare aufzuwachsen. Es klang so wunderbar …Vermutlich werde ich niemals die Gelegenheit für einen Besuch dort bekommen, aber wenigstens kann ich darüber lesen.“
Er strich über das große Rad. Gischt spritzte über den Bug, und die Segel seufzten leise im Wind. „Sie können Ihre Studien mit England beginnen, der Heimat Ihrer Eltern“, sagte er endlich.
„Mich interessiert Irland“, erklärte sie eigensinnig.
Er sah sie an, und sie entdeckte die Andeutung eines Lächelns in seinem Gesicht. „Ich bin sicher, dass Sie eines Tages die Gelegenheit bekommen, Irland zu besuchen, und wenn Sie in die Nähe von Adare kommen, werden Sie dort immer willkommen sein.“
Entzückt griff sie nach seinem Arm. Im selben Moment erinnerte sie sich jedoch an ihren Traum und zuckte zurück. „Werden Sie mich dorthin mitnehmen?“, brachte sie schließlich heraus.
„Wohl kaum.“
Sie wusste,
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