Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
nicht für eine Sekunde aus den Augen. Als sie zur Toilette musste, begleitete er sie bis zur Tür und wartete dort.
Danach versank Rebecca wieder entzückt in die Betrachtung des nächsten Bildes. Nach einer Viertelstunde stöhnte Kepler unwillkürlich.
Es war kaum hörbar gewesen, Rebecca hatte es dennoch mitbekommen.
"Mister, du bist eine Kunstbanause", bescheinigte sie Kepler beißend im professionellen Ton einer Kennerin.
"Madam, wenn das da Kunst ist", erwiderte er nicht minder erhaben und abfällig, "dann möchte ich auch nicht mehr als das sein."
" Ja, deine Vorstellungen reichen über nagende Motive nicht hinaus."
"Ngabe schon wieder?", erkundigte Kepler sich.
"Sie alle tragen sie sogar", setzte Rebecca ihn in Kenntnis.
"Na also. Meinst du, meine Männer würden je auch nur in Erwägung ziehen, einen alles und nichts bedeutenden Farbklecks als Abzeichen zu tragen? Nein, sie bevorzugen eine Ratte." Kepler sah Rebecca heiter an. "Denk darüber nach."
Rebecca schüttelte bestürzt den Kopf , sie konnte wohl nicht begreifen, wie man so borniert sein konnte. Sie zeigte auf das große Gemälde unweit von ihnen und seufzte bitter beim Anblick von Keplers angewidertem Gesichtsausdruck.
"Findest du es wirklich nicht gut?"
"Ne", bestätigte er mit Inbrunst.
"Was ist für dich Kunst?"
"Das Schönste der Schöpfung Gottes", antwortete Kepler. "Eine Frau. Am besten lebendig und nackt. Garantiert nicht das da", stellte er mit Abscheu fest.
Er bereute sehr bald, das gesagt zu haben. Sein Kommentar schien Rebecca d irekt zu Herzen gegangen zu sein. Sie nahm sich doppelt soviel Zeit für die Betrachtung jedes weiteren Bildes. Kepler wollte keine Konfrontationen mehr, sondern ließ es über sich ergehen, während er sardonisch lächelnd die zierliche Afrikanerin bewachte. Als sie die Ausstellung verließen, war es fast Abend.
Jetzt übernahm Kepler rigoros das Kommando. Er kannte sich in Berlin zwar nicht aus, aber ein Imbiss zu finden war für ihn mit seiner enormen Erfahrung als Aufklärer ein Kinderspiel. Er hörte sich Rebeccas bissige Kommentare seelenruhig an, bis er ihr den Mund mit einer Bratwurst stopfen konnte. Das allerdings gefiel ihr, und danach hörte sie auf, ihn zu piesacken. Er spendierte ihr noch ein Bier, danach fuhren sie zu ihrem Hotel.
Kepler ging wie selbstverständlich mit Rebecca auf ihr Zimmer und ließ sich dort auf dem Sofa nieder.
"Du hältst immer dein Wort, oder?", kommentierte sie.
"Nach Möglichkeit ."
"Wie weit gehst du dabei üblicherweise?"
"Wie es nur möglich ist", erwiderte Kepler wahrheitsgemäß.
Rebecca bedachte ihn mit einem langen Blick , dann ihr Bett.
"Diese vier Meter reichen", bestimmte sie.
Ihre Unterkunft bestand aus zwei Zimmern, eines diente als Schlaf - das andere als Wohnbereich. Kepler blickte in dieselbe Richtung wie Rebecca.
" Es sind knapp sechs", korrigierte er.
Am nächsten Morgen flog er mit Rebecca nach Frankfurt, weiter durfte er nicht. Aber jemand von der Botschaft flog auch nach Hause. Kepler sah den Mann an und entschied, dass er als Begleitung ausreichte. Trotzdem schärfte er Rebecca ein, in Kapstadt das Flughafengebäude nicht zu verlassen, bis sie abgeholt werden würde, und sich immer in der Nähe von Menschen aufzuhalten. Er machte es so lange, bis Rebecca es ihm schließlich versprach. Genauso wie sie versprach, ihn von Zuhause anzurufen, damit er sich keine Sorgen machte.
Kepl er wartete, bis sie eingecheckt war, dann machte er sich auf die Suche nach Kaffee. Es dauerte noch, bis sein Flug zurück nach Berlin startete.
Rebecca rief am nächsten Tag nicht an, auch nicht am übernächsten. Sie wollte ihm anscheinend zeigen, dass er nicht über sie bestimmen konnte. Aber Kepler war Pragmatiker, er rief einfach ihren Bruder an.
Und schließlich gewann er doch, einen Tag später schickte Rebecca eine SMS, dass bei ihr alles in Ordnung wäre.
3 9. Für das Leben, das Kepler seit fast einem Jahr führte, hatte er töten müssen. Die Chancen, dieser Existenz einen Sinn zu geben, hatte er vertan.
Aber jetzt war dieses Leben zu Ende, und die letzten Tage in der Heimat lebte Kepler wie zwischen zwei Welten. Sein neues Leben und dessen Sorgen und Chancen hatten noch nicht angefangen, die des alten Lebens waren vorbei.
Kepler fühlte sich nirgends mehr zugehörig, obwohl er jeden Tag mehrere Stunden in der Sportschule verbrachte. Sogar in der großen Halle mit vielen Menschen empfand er nur ein Gefühl der Losgelöstheit von allem um
Weitere Kostenlose Bücher