Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
beeindruckt.
" Sie doch wohl auch." Kepler lächelte ob Susans schiefen Blickes. "Warum habe Sie denn eigentlich gar nichts zu dem Kellner gesagt?"
Sie sah ihn neutral an und schüttelte erhaben den Kopf.
"Das Essen ist vorbei. Für den Rückweg können wir auf du umsteigen."
Kepler nickte anerkennend. Angriff als Verteidigung, das wurde anscheinend auch Psychologen beigebracht. Vielleicht nicht explizit, aber wer aufmerksam g enug war, lernte es auch vom Leben selbst.
"Dann lade ich dich in einen Klub ein. Du musst mal ausspannen."
"In dem Kleid?", fragte Susan unschlüssig, während sie ihn prüfend ansah.
" Dieser Klub ist zwar nicht so vornehm wie der Laden eben, aber dein Kleid ist dort nicht unangemessen."
Im Klub war nicht zu viel und nicht zu wenig los. Die Atmosphäre war leicht, Kepler fühlte sich wohl. Susan sprach nur noch über Belangloses, wie solche Klubs, die moderne Esskultur und die Hoffnung, dass das momentane Schmuddelwetter bald aufhören würde.
Nach einiger Zeit löste Susan sich, sie lachte und ihre Wangen wurden leicht rötlich. Kepler forderte sie zum Tanzen auf. Danach tranken sie etwas, dann tanzten sie wieder. Als Kepler die nächste Runde Getränke an den Tisch holte, bemerkte er Susans Blick, mit dem sie ihn durch den Raum verfolgte. Er mochte ein arroganter selbstüberzeugter Exot sein, aber manche Frauen fanden das zumindest interessant.
"Wollen wir los?", fragte Susan nach einer Weile. "Ich muss bald zur Arbeit."
"Zu dir oder zu mir? ", wollte Kepler wissen.
Susan sah ihn aus verengten Augen an. Er blickte ruhig abwartend z urück.
"Wäre das nicht Betrug?", fragte sie.
"Nein", antwortete Kepler verwundert.
Sein erster Gedanke war, dass Katrin weg und mit einem anderen Mann z usammen war. Dann erinnerte er sich, dass er in einer Sitzung Julia erwähnt hatte.
"Ich dachte, du hast eine Freundin" , sagte Susan.
"Nicht in dem Sinn ."
" Bedeutet sie dir nichts?"
" Sie bedeutet mir viel", erwiderte Kepler. "Aber nicht in dem Sinn."
Susan sah ihn an und er blickte offen zurück. Es war ihm egal, ob er mit Susan i m Bett landete oder nicht. Es wäre aufregend, weil es auch eine Abwechslung wäre, aber er würde auch nicht traurig sein, wenn es nicht klappte.
"Du willst nur eine Nacht, nicht s anderes", stellte Susan fest.
Kepler nickte . Sie sah ihn an und überlegte.
"Zu mir", sagte sie schlie ßlich.
3 2. Drei Wochen nach Beginn der Schulferien flog Julia mit Nico auf die Kanaren. Sie hatte Kepler eingeladen mitzukommen, aber er hatte abgelehnt. Er wollte nicht in die Rolle des festen Freundes gedrängt werden, der am Familienleben teilnahm, Julias kleine Familie war nicht die seine. Julia hatte seine Entscheidung enttäuscht bedauert, aber nicht geschmollt. Entweder gab sie Kepler Zeit – soviel er nötig zu haben glaubte – oder ihr war seine Einstellung ganz recht und sie hatte ihn nur aus Höflichkeit gefragt.
Kepler hoffte das Letztere, trotzdem vermisste er Julia ziemlich. Oder es fehlte ihm vielmehr die Zweisamkeit mit ihr, mit der er seine innere Leere wenigstens kurzfristig ausfüllen konnte.
Die Zeit dehnte sich, die Tage wollten kaum vergehen. Kepler verbrachte sie in der Sportschule. Bedingt durch die Lustlosigkeit hing er dort mehr herum, als dass er trainierte. Marco und Daijiro ging es ähnlich. So hockten sie faul zu dritt in der Bar oder draußen in der Sonne. Yoko hatte eine Art Straßencafé eingerichtet, um das gute Wetter auszunutzen. Es wurde nicht nur von Sportschülern besucht, sondern auch von Spaziergängern aus dem Park und von zufälligen Passanten, Daijiros Frau bot köstliche Kuchen an. Kepler, Marco und Daijiro verspeisten viele davon, tranken Kaffee in Unmengen, philosophierten über die Kampfkünste und mussten sich dann zwingen, die Schwerter in die Hände zu nehmen oder ohne Waffen gegeneinander zu kämpfen.
Deswegen sagte Kepler sofort zu, als Daijiro ihn fünf Tage später bat, mit nach Berlin zu kommen. In der Hauptstadt lief eine Messe der fernöstlichen Kampfkunst und Daijiro wollte dort ein Symposium des Kendoverbandes besuchen.
A m nächsten Morgen saßen sie im Audi und fuhren auf der A2. Auf der 115 gab es bei Potsdam einen Stau, aber sie kamen dennoch pünktlich in Berlin an.
So sehr Kepler sich über die Abwechslung gefreut hatte, so betrübt stellte er fest, dass sie nicht die erhoffte Wirkung brachte. Er wanderte durch die Ha llen, aber es war alles mehr oder weniger eintönig. Nach anderthalb Stunden war ihm
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