Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
Junge heftig auf den Kopf gefallen", meinte Kepler leichthin. "Mehrmals wohl."
"Da steckt mehr dahinter."
Kepler richtete seinen Blick direkt in Susans Augen.
" Ja. In einem Film zu sehen wie jemand erschossen wird, ist ganz anders, als sich die Gehirnmasse immer wieder aus dem Gesicht zu wischen."
Susan sah ihn entgeistert an. Den nächsten Bissen bekam sie nur schwer herunter. Nach einigem Herumstochern im Teller legte sie die Gabel weg.
"Ich steige bei Ihnen nicht durch", seufzte sie. "Wie können Sie so leben?"
"Ich stehe auf, mache etwas und gehe dann wieder ins Bett", antwortete Kepler. "Wie jeder andere Mensch auch."
"Aber Ihnen fehlt doch die Perspektive", wandte S usan ein. "Völlig."
" Ja", gab Kepler zu. "Aber noch will ich mir keine Kugel in den Kopf jagen."
"Fragt sich bloß, warum nur", erwiderte Susan beißend. "Sie sind unfähig zu lieben oder Liebe auch nur anzunehmen. Sie schieben es auf Ihre Krankheit, und es mag was dran sein, aber Sie wollen doch auch nichts fühlen, oder?" Sie sah ihn an. "Weil Sie dann nicht mehr der sein können, der Sie sind, richtig?"
"Das eine kann ich, das andere nicht", antwortete Kepler und sah sie erheitert an. "Wollten Sie nicht nur etwas wissen? Oder mich doch therapieren?"
Susan schob ihren Teller von sich. In ihrem Gesicht war nichts mehr von dem zu sehen, was dort zu Beginn ihres Treffens war. Keine Freude, keine Erregung, nur Niedergeschl agenheit und Enttäuschung.
" Ich will lieber gehen."
Kepler sah sich um. Er erblickte den Kellner, hob die Hand und winkte , bis der Mann ihn sah. Gemessenen Schrittes und voller Würde näherte der Kellner sich.
"Wir möchten zahlen", eröffnete Kepler ihm.
" Gewiss. Getrennt natürlich."
" Natürlich – nicht."
Einige Minuten später, als Kepler erstaunt auf den Betrag auf der Rechnung blickte, wusste er, warum der Kellner abfällig gelächelt hatte, bevor er die Rechnung holen gegangen war. Jetzt tat der Mann es wieder.
Aber er hatte Keplers Reaktion völlig missverstanden und wartete mehr als amüsiert. Kepler fand lediglich, dass die Größe der Portionen in keinem Verhältnis zu dem Preis stand. Das arrogant überhebliche Lächeln des Kellners verschwand, als Kepler ein Bündel Geldscheine aus der Tasche zog und einen Fünfhunderter abstreifte. Der Kellner musste den Schein an der Kasse erst wechseln. Solange er weg war, blickte Susan Kepler undefiniert an.
Der Kellner kam zurück. Sein Gesicht trug die Maske der Freundlichkeit, als er Kepler das Rückgeld reichte und dabei leise zwei Sätze auf Französisch sagte.
V iele Menschen meinten, die französische Sprache würde sich sogar beim Fluchen wunderschön anhören. Kepler fand es nicht, die Sprache gefiel ihm einfach überhaupt nicht. Nichtsdestotrotz sah er den Kellner anerkennend an, der ihn einen lumpigen Kretin von unter der Brücke nannte, weil der Mann es sehr gepflegt vorgetragen hatte, bevor er mit versteinertem Gesicht davon ging.
"Sie haben mich blamiert, ich kann nicht mehr herkommen", sagte Susan kalt und im Ton eines Vo rwurfs.
"Entweder hatte der Typ bei Ihnen nicht die Kenntnis der Sprache vorausg esetzt, oder aber er spekulierte genau darauf, dass Sie es mir übersetzen", überlegte Kepler. "Ist aber irgendwie auch ein Seitenhieb gegen Sie, finde ich."
Er schob den Stuhl laut zurück und erhob sich.
"Hey, Ober, warten Sie mal", rief er dem Kellner nach.
Der Kellner drehte sich um und sah gequält und wehleidig zu ihm und Mitgefühl heischend die anderen Gäste an.
"Monsieur, wenn ich den Geschäftsführer rufe und ihm sage, wie Sie mich vorhin genannt haben", begann Kepler auf Französisch, "meinen Sie, ich kriege mein Geld zurück? Oder soll ich dafür besser vor all den Leuten hier einfach auf den Teppich kotzen? Ist nicht so subtil wie Sie es machen, aber wirkungsvoller."
D ie Arroganz des Kellners verschwand abrupt und sein Blick wurde ängstlich.
"Entschuldigen Sie ...", stotterte er, "Monsieur, ich wollte nicht..."
"Sie wollten", unterbrach Kepl er ihn.
Der Mann blinzelte hilflos. Kepler sah ihn kalt an und reichte Susan die Hand.
" Nächstes Mal wird er nicht mehr überheblich sein", sagte er laut auf Deutsch.
E r begleitete Susan zur Garderobe, half ihr in den Mantel und gab der Garderobenfrau einen Zehneuroschein. Sie sah Kepler fast erschrocken an. Bevor sie sagen konnte, dass es zu viel sei, nahm er Susan am Arm und führte sie hinaus.
"Sie beherrschen Französisch", sagte die Psychologin widerwillig
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