Freiheit für Cyador
eine weite Hose aus fließendem blauem Schimmertuch, darüber kommt ein blauer Wollumhang mit schmalen beigefarbenen und grünen Borten. So betrachtet sie sich im Handspiegel.
»Bist du fertig, kann ich jetzt die Pferde holen?«, fragt Lorn.
»Bist du nervös?« Ryalth sieht Lorn an, der seine Ausgehuniform mit den grünen und weißen Paspelierungen trägt. »Du gehst ständig auf und ab.«
»Nein. Ich fühle mich nur etwas nutzlos im Augenblick.«
Die rothaarige Händlerin dreht sich um und betrachtet Lorn von oben bis unten. »Es sollen wohl wirklich alle wissen, dass du ein Lanzenkämpfer bist.« Sie lächelt. »So viel zu einer Vermählung im kleinen Kreis.«
»In Jakaafra weiß es ohnehin jeder, ganz gleich was ich trage«, meint Lorn. »Außerdem werden alle nur auf dich schauen und nicht auf mich.«
»Geh und hol die Pferde.«
Lächelnd verbeugt er sich. »Zu Befehl, meine Dame.«
»Geh schon.« Mit Mund und Augen erwidert sie das Lächeln.
Der klare Vormittag ist immer noch kalt, es weht nur ein leichter Wind aus Nordosten, der sogar kurz verstummt, während Lorn die Pferde vom Stall bis zur Tür führt. Er hat sie schon vor dem Waschen und Anziehen gesattelt. Eine Kutsche wäre vielleicht angebrachter gewesen, doch ist ihm nicht bekannt, dass es in Jakaafra so etwas zu leihen gäbe.
Lorn wartet endlos lange vor der Tür, so kommt es ihm zumindest vor, und hält die Zügel der zwei Pferde. Er tritt von einem Fuß auf den anderen und fragt sich, welche anderen Vorbereitungen Ryalth wohl hinter dem Wandschirm noch zu treffen hat. Fast hätte er die Pferde an die Hecke gebunden und wäre ins Haus gegangen, doch da kommt Ryalth endlich heraus und schließt die Tür hinter sich.
»Siehst du? Ich habe gar nicht lange gebraucht.« Sie blickt ihm ins Gesicht. »Nicht allzu lange jedenfalls.«
»Du bist noch schöner als sonst.« Lorn reicht ihr die Hand und hilft ihr beim Aufsteigen.
»Ich sollte mich öfter vermählen.«
»Es tut mir Leid, dass es nicht schon früher geschehen ist.« Lorn schwingt sich aufs Pferd.
Langsam reiten sie in die Stadt, ihr Ziel ist der Hauptplatz. Als sie an einem der größeren Häuser vorbeikommen, stehen zwei Frauen vor dem grünen Keramikwandschirm und starren ihnen schweigend nach. Doch bald darauf hören Lorn und Ryalth die getuschelten Worte, die der schwache Wind ihnen von hinten zuträgt.
»… da! Sieht ganz nach einer Vermählung aus … wenn mich nicht alles täuscht …«
»… ein Hauptmann, gut sieht er aus, aber wer ist die Dame?«
»Das ist Schimmertuch – und der Umhang … bedeutet, dass Lanzenkämpfer- und Magi’i-Blut im Spiel sind. Das haben wir hier nicht oft.«
»Eine Liebesheirat … das sag ich dir … das ist der einzige Grund.«
Lorn lächelt und lehnt sich zu Ryalth hinüber. »Eine Liebesheirat, wusstest du das?«
»Das weiß ich schon seit Jahren. Nur du hast länger gebraucht.«
Lorn zuckt übertrieben mit den Schultern, das Lächeln jedoch verbleibt auf seinem Gesicht.
Das Standesamt liegt auf der Westseite des kleinen Platzes. Um die Ecke und gut zweihundert Ellen weiter in einer Seitengasse befindet sich Dustyns Laden.
Vor den Geschäften am Platz stehen mehr Menschen als sonst. Ein Dutzend beobachtet das Paar von der Küferwerkstatt aus und genauso viele stehen vor der Weberwerkstatt, die daneben liegt.
»So viele Menschen habe ich hier noch nie auf einmal gesehen«, meint Lorn verwundert.
»Du meine Güte …« Ryalth lacht. »So etwas bekommt man hier wohl nicht alle Tage zu sehen.«
»Eine Vermählung? Das ist doch nichts Besonderes.«
»Es gibt zwar viele Lanzenkämpfer, aber nur wenige Lanzenkämpferoffiziere«, meint Ryalth.
»Sie starren alle nur dich an«, erwidert Lorn. »Es gibt nur eine Hand voll Handelshäuser hier und keines davon wird von einer Frau geführt.« Doch Ryalths Worte nagen an ihm. Seine Mutter hat es ihm schon einmal gesagt, aber er hat sich nie richtig überlegt, wie wenige Lanzenkämpferoffiziere und Magi’i es in Cyador eigentlich gibt. Doch diese Gedanken verschwinden sofort, als Lorn auf die andere Seite des Platzes blickt.
Dustyn steht auf dem Steinweg rechts von den Stufen, die zum gelben Ziegelgebäude des Standesamtes fuhren. Er trägt einen prächtigen braunen Umhang mit blauen Verzierungen über einer braunen Hose und einer edlen blauen Tunika. Neben ihm wartet eine silberhaarige Frau, die Lorn und Ryalth herzlich anlächelt, als diese auf sie zureiten. Hinter dem Kommis und seiner
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