Freiheit fuer Mama
Küche jeden Tag wischen, täglich eine neue Kleidergarnitur für die Kinder bereitlegen und jeden Abend etwas Warmes kochen, nur weil dem Mann das Essen in der Kantine nicht schmeckt. Und überhaupt …
Raus aus der Komfortzone
In der Wohnung ist es still. Die Kinder schlafen wohl schon. Den Body schmeiße ich in den Müll und lege ein Stück Zeitung drauf, Ben muss das verkohlte Stück Stoff ja nicht sehen. Ich kreise durch die Wohnung, von der Küche ins Wohnzimmer und von hier aus ins Bad und dann zurück ins Wohnzimmer. Ich will zu Ben gehen und mit ihm reden, aber ich traue mich nicht recht. Solche Wir-Gespräche sind meist so gar nicht meine Sache. Im Wohnzimmer guckt mein Handy unter der Zeitung hervor und mir kommt eine Idee: Ich schreibe Ben eine SMS. O je, so weit ist es schon mit uns gekommen, dass wir uns innerhalb der Wohnung SMS schreiben! Egal, ich tippe ein: Sorry für vorhin. Hast du Lust auf einen Tee? :-)
Ich gehe in die Küche und koche einen Grüntee mit Zitrone, den mögen wir beide gerne. Nach fünf Minuten höre ich mein Handy brummen. Ich gehe hin, habe ein bisschen Bammel. Vielleicht entscheidet diese SMS über mein weiteres Leben. Vielleicht ist alles aus? Lassen wir uns scheiden? Unsinn! Hier entscheiden wir beide über unser weiteres Leben. Ich öffne die Nachricht. Dort steht: Ja. B.
Ich schwenke das Teesieb in der Kanne hin und her. Es dauert noch mal fünf Minuten, dann höre ich Schritte, Ben kommt in die Küche. Er sagt »Hallo« und räuspert sich. Das macht er immer, wenn er etwas sagen will, was ihm ein bisschen unangenehm ist. Ich sage »Prost« und trinke einen Schluck Tee. Er räuspert sich noch einmal, setzt sich auf die Küchenbank, trinkt einen Schluck Tee und sagt, sich wieder räuspernd: »Das vorhin war echt scheiße. Aber ich bin ja hier aus allem raus.«
Er hat recht, es war vorhin aber auch nicht in Ordnung von mir, so auszuticken. Und er ist hier tatsächlich aus allem raus. Ben nimmt sich ein Stück Zucker. Er tut es in den Tee und rührt ewig mit dem Löffel in dem Becher herum. Mit dem Geklapper macht er mich ganz nervös. Dann räuspert er sich wieder. So ist er eben, ein bisschen schüchtern, kein lauter Typ, der mit der Hand auf den Tisch haut und sagt: »Hör mal, Baby, wir ziehen hier jetzt ganz andere Saiten auf.« Und darum mag ich ihn. Weil er nicht laut auf den Tisch haut. Und weil er mich nicht »Baby« nennt.
»Was hältst du davon«, fragt er und räuspert sich noch einmal kurz, »wenn ich ab August nur noch vier Tage die Woche arbeiten gehe?« Er erklärt, dass ein Kollege das jetzt auch macht. Seit der Chef selbst ein Kind habe, sei er für solche Sachen offen.
Oha!!!
Wir entscheiden gemeinsam
Ich finde die Idee gut, sehr gut sogar. Die Anspannung des Tages fällt von mir ab. Ich schiebe Ben die Chips rüber, die ich aufgemacht habe. Plötzlich habe ich die tollsten Visionen. In meinem Kopf läuft – nicht zum ersten Mal an diesem Tag – ein Film ab: Wenn Ben einen Tag in der Woche zu Hause wäre, dann hätte ich mehr Zeit für meine eigenen Sachen. Ich könnte mehr in den Job einsteigen und einen Tag ganz arbeiten und für zwei bis drei weitere Tage eine Kinderbetreuung suchen. Das würde uns auch finanziell guttun. Paul ist ab Herbst im Kindergarten. Und, yeah, ich bin bald nicht mehr diejenige, die Tag für Tag die Karre mit dem Kiddyboard den Weg hochschiebt und mit zwei Kindern im Schlepptau den Megaeinkauf für die Woche macht.
Ich werde ganz euphorisch. Das sind ja tolle Aussichten! Ich werde ganz high bei dem Gedanken an all die Freiheiten, die sich vor mir auftun. Doch halt, stopp. So geht das nicht! Ich bin gerade dabei, in meiner Fantasie unser ganzes Leben zu verplanen. Wir sollten wohl besser gemeinsam entscheiden, wie wir uns organisieren. Sonst sind wir bald wieder da, wo wir gerade stehen.
»Ich finde die Idee gut!«, sage ich zu Ben. »Allerdings weiß ich gerade nicht, ob wir das überhaupt hinkriegen: Wir sind ja total eingefahren. Vielleicht könnten wir uns Unterstützung suchen und ein paar Vereinbarungen treffen, mit denen beide einverstanden sind.«
Mir fällt Anna ein, die Eltern in Sachen Alltagsplanung coacht. Ob wir bei ihr mal einen Termin machen? Das können wir morgen besprechen.
Ich gieße Ben mehr Tee ein, und er schiebt mir die Chipstüte rüber. Das finde ich nett. Ich tippe unter dem Tisch vorsichtig mit meinem Fuß gegen seinen. Es dauert ein bisschen, aber dann grinst er ein klein wenig – und
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