Freiheit fuer Mama
herunterrutscht. Er klemmt dann zwischen meinem Kopf und meiner Schulter. Als ich fertig bin, lehne ich mich erschöpft an die Wand. Mir ist heiß, das T-Shirt klebt an meiner Haut. Mitten im Winter. Komme ich schon in die Wechseljahre? Ich gehe mit Piet in den Vorraum, reiße die Tür nach draußen auf und kühle mich ab. Piet brüllt jetzt so laut, dass es schnell gehen muss. Ich gehe zurück zum Klo, denn gleich wird Paul fertig sein. Ich lehne mich an die Wand neben dem Spiegel, rutsche eine Etage tiefer, sodass ich in der Hocke sitze, und rolle mein T-Shirt hoch und auch den dicken Pullover. Piet dockt gleich an und nuckelt los.
Stille.
»Mama, meine Hose ist nass geworden«, ruft Paul. Auch das noch!! Muss sich ein Kind eigentlich immer dann nass machen, wenn man unterwegs ist? Zu Hause auf dem Klo passiert das nie. Das ist auch so etwas, das steht in keinem Buch. Ein Kind aus der Kita abholen, Einkaufen, Vorlesen, Kuscheln, Wickeln, schlafarme Nächte, das sind Dinge, von denen weiß man vorher. Die gehen klar. Aber dass du dich in Situationen wiederfindest, wo man nasse Hosen in engen Klokabinen wechseln und dabei einen Säugling stillen muss, das sagt einem vorher keiner.
Während ich versuche, Paul mit einer Hand umzuziehen, stille ich weiter. Dabei denke ich: Die reichen Frauen früher hatten es gut, die hatten Ammen. Die nährten das Kind, und die Mutter war fein raus. Aber hierzulande bist du eine schlechte Mutter, wenn du nicht stillst. Es ist ein Makel, wenn du dem Baby stattdessen gleich die Flasche gibst. Darum fangen auch fast alle Mütter im Krankenhaus erst einmal an zu stillen. Doch ein paar Wochen später hören einige schon wieder damit auf. Spätestens nach zwei, drei Monaten gibt’s bei den meisten Fläschchen. Sie sagen: »Das Kind wird nicht mehr satt, ich muss zufüttern.« Oder: »Ich hatte nicht genug Milch.« Oder: »Mein Kind verträgt die Muttermilch nicht.« Aber das sind teilweise Ausreden. Vielen ist es schlicht zu stressig, weiterzustillen. Sie wären einfach auch gern wieder ein bisschen unabhängiger.
Das ist ja auch verständlich. Durch die Stillerei hängst du immer mit am Tropf. Alle paar Stunden will das Kind seine Milch. Du musst also da sein, ihm die Brust geben und sitzt, wenn die Kinder, wie meine, Langsamtrinker sind, oft eine Dreiviertelstunde fest. Mit Fläschchen kannst du dir Freiräume schaffen. Denn auch der Papa, die Oma oder eine Kinderfrau können dann das Kind füttern – während du zum Frisör gehst oder arbeitest. Das ist nichts Verwerfliches, auch wenn es oft so rüberkommt. Nur dass das Baby dann eben keine Muttermilch bekommt. Und das ist schon schade, wegen all der guten Dinge, die da drin stecken. Aber es gibt noch eine Möglichkeit: abpumpen und die Milch einfrieren. Bei Bedarf wird die Milch aufgetaut, angewärmt und dem Baby gegeben. Eine Kollegin hat das immer gemacht. Sie legte einen richtigen Milchvorrat an, damit ihre Kinderfrau für zwei, drei Mahlzeiten was zu Trinken für die Kleine dahatte.
Hier ist Mama-Zone
»Hallo, hallo, willst du noch ein Glas?« Von sehr weit weg höre ich Sandras Stimme. Ich blicke mich um. Der knackige Saunameister steht direkt vor mir und hält mir das Tablett mit den hohen Gläsern vor die Nase. Er hatte versucht, mich anzusprechen, aber ich war wohl so in Gedanken, dass ich gar nichts mitbekommen habe. Natürlich will ich noch einen Drink. Vor allem, wenn er mir gebracht wird.
»Wo warst du denn gerade mit deinen Gedanken. Doch nicht etwa bei deinen Jungs?«, fragt Sandra. Sie ist immer ziemlich direkt. Das mag ich an ihr, dass sie nicht um den heißen Brei herumredet, sondern immer gleich zur Sache kommt. »Hallo, komm zu dir. Hier ist heute Mama-Zone, Kinder und Männer müssen leider draußen bleiben.«
Sie hat recht. Jetzt habe ich endlich einmal kinderfrei und denke die ganze Zeit an zu Hause. Als wenn es nichts anderes auf der Welt gäbe. Aber im Moment gibt es das in meinem Alltag auch nicht wirklich: Stillen, Kindergarten, Stillen, Babybrei, Kindernachmittagsprogramm, Stillen, Spielplatz, Stillen, Bettzeit. Stillen. So in etwa sieht mein Tag aus. Von meiner rot-weißen Liege aus betrachtet, finde ich das ziemlich einseitig. Früher bin ich um die halbe Welt gereist, hatte einen interessanten Job, tolle Urlaube und immer einen guten Roman an der Hand. Heute spielt sich mein Leben in einem Radius von 800 Metern ab. Alles dreht sich um die Kinder, und nur sehr wenig dreht sich um mich. Etwas
Weitere Kostenlose Bücher