Freiheit fuer Mama
Schule, sodass wir uns nicht automatisch beim Einkaufen oder in der Spielgruppe oder beim Kinderturnen treffen. Ich schnappe mir das Telefon und verziehe mich in den Keller. Da habe ich jetzt am ehesten meine Ruhe.
In der Waschküche stopfe ich schnell die dreckige Wäsche in die Maschine und stelle sie an. Dann klaube ich die sauberen Klamotten von der Leine und lege sie in den Wäschekorb. Endlich gehe ich in den Heizungsraum. Dort steht ein alter Sessel. Hier telefoniere ich am liebsten. In dem Raum ist es schön warm und kuschelig, und die Gasheizung brummt leise vor sich hin. Dass es hier auch ein bisschen muffelig riecht, stört mich nicht. Es ist gemütlich. Und die Hauptsache ist: Ich habe meine Ruhe. Der Raum hat eine Eisentür und ist quasi schalldicht. Empfang habe ich hier aber zum Glück trotzdem. Ich kann am Telefon also zu meinen Freundinnen sagen, was ich will, ohne dass jemand mithört. Und das Beste: Paul hat noch nicht mitbekommen, dass ich hier mein »Telefonzimmer« habe.
Balsam für die Seele
»Ich habe übernächstes Wochenende frei«, sagt Sandra, als ich anrufe. »Sven hat sich mit Studienkumpels und deren Kröten verabredet.« Kröten, das ist ihr Lieblingswort für Kinder – weil sie immer so quaken. Sie ist ganz aufgeregt, sie liebt es, frei zu haben. Denn sie hat drei Kinder, die eher zu der anstrengenden Sorte gehören. Darum fordert sie hin und wieder bei ihrem Mann eine Auszeit zum Auftanken ein. Sven hat alles im Griff, wenn sie nicht da ist. Er ist keiner, für den sie vorkochen oder dem sie alles bereitlegen muss. Er weiß, wo die Socken im Schrank liegen, wo die Kartoffeln sind und wie man Lasagne kocht.
»Also, was machen wir an unserem freien Wochenende?«, fragt Sandra. Ich verstehe nicht ganz: Wieso wir?, denke ich. Sie weiß doch, dass ich noch stille. Einen Moment lang ist es ruhig in der Leitung. Dann sage ich: »Wie meinst du das? Ich kann doch hier nicht weg, solange Piet noch am Tropf hängt. Soll er etwa verhungern?« Sie beginnt erst zu kichern und dann laut zu lachen. Das ist typisch für sie, denke ich. Dann sagt sie: »Das meinst du doch jetzt nicht ernst! Der Knabe ist acht Monate alt. It’s time to go, Baby!«
Ich richte mich in meinem Telefonsessel auf, jetzt werde ich ein bisschen sauer. Will sich hier jemand in meinen Stillplan einmischen? Bestimmen, wann ich mich von meinem Kind abnabele? Wann Schluss ist mit Stillen, entscheide immer noch ich. Ich bin hier die Mama! Ein Jahr will ich Piet die Brust geben, so wie Paul. Gleiches Recht für alle. Natürlich nicht ausschließlich. Er bekommt ja auch schon etwas Brei. Aber morgens und nachmittags und nachts tut ihm das Stillen schon noch gut.
Bei dem Gedanken, dass bald Schluss sein soll mit Stillen, werde ich sogar etwas wehmütig. Auch wenn ich nicht so die Still-Mama bin und stundenlang über die ideale Mutter-Kind-Bindung rede, die das Stillen mit sich bringt, und all die tollen Nährstoffe. Aber das Abstillen ist auch ein Abschied. Wenn ich nie wieder ein Kind bekomme, werde ich auch nie wieder im Leben stillen. Scheiden tut weh! Eine klitzekleine Torschlusspanik überkommt mich.
Die Heizung schnurrt jetzt lauter, sie ist gerade angesprungen. Darum muss ich lauter sprechen, um sie zu übertönen. »Nein, tut mir leid«, rufe ich in den Hörer. »Das geht nicht. Ich kann jetzt noch nicht mit dem Stillen aufhören. Im Dezember vielleicht, da können wir darüber reden.« Sandra geht nicht darauf ein. Sie sagt: »Ich habe schon mal beim Autoverleih nachgefragt. Wir könnten ein Cabrio Coupé bekommen. Damit rauschen wir nach Lübeck und gehen in das neue Spa. Das soll ganz toll sein. Da gibt es drei Saunen, ein Schwimmbad, einen Fitnessraum und man kann sogar in Schokolade baden – das ist echter Balsam für die Seele.« Perfekt für uns sei auch das Langschläferfrühstück und abends Prosecco satt in der Bar. »Mindestens zwei Nächte bleiben wir. Besser drei. Katharina und Kerstin nehmen wir auch mit.«
Sandra ist Feuer und Flamme. Ich kenne sie, seit ich sechs bin. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht sie es durch. Sie wirkt richtig high. Ob sie etwas genommen hat? Wie sonst kann man als Mama immer so gut drauf sein wie sie? Nein, Sandra ist einfach eine ganz Handfeste. Ihre Mutter war auch so: immer pragmatisch, immer positiv. An sich gehen mir solche Leute auf die Nerven. Die, bei denen immer alles glattgeht, die immer lächeln und sagen: »Ist doch kein Problem.« Aber Sandra ist
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