Freiheit fuer Mama
Großen, setze ihn ins Auto, ziehe ihm schnell die Schuhe an und fahre los. Zuerst geht’s in die Kita. Ich übergebe Paul an Silke, die Kindergärtnerin. Paul mag sie, der Abschied verläuft darum entspannt. Ich sage noch »Tschüs«, doch Paul sitzt schon in der Ecke mit den Playmobilsachen und baut. Mich beachtet er nicht mehr, auch gut.
Anschließend fahren wir zur Tagesmutter. Ich trage Piet die zwei Stockwerke hoch, klingele und übergebe das Kind. Zum Glück ist sein Kumpel schon da. Die beiden stürzen sich sofort auf die Legokiste.
Geschafft. Jetzt aber nichts wie los. Als ich wieder im Auto sitze, atme ich zehnmal tief ein und aus. Das mache ich immer, wenn ich total gestresst bin. So komme ich ein bisschen runter, und das Risiko, dass ich zu schnell fahre, ist viel geringer. Die Straßen sind einigermaßen frei, es ist ja schon nach acht.
Ich versuche, mich auf das einzustellen, was da kommen wird. In Gedanken gehe ich noch einmal alles durch, was ich vortragen will: das Konzept des neuen Magazins, die Erläuterungen dazu. Aber ich bin unkonzentriert. Darum stelle ich das Radio an und suche nach klassischer Musik, die beruhigt mich. Es ist jetzt halb neun. In einer halben Stunde muss ich da sein.
Das ist doch alles Wahnsinn, denke ich, als ich die Brandenburgischen Konzerte im Radio höre. Ich arbeite zwei Vormittage und einen ganzen Tag, aber das ist viel zu knapp bemessen, wenn ich an die Aufträge denke, die ich bekommen habe. Ich habe mich zwar erst vor ein paar Wochen selbstständig gemacht, aber es läuft ganz gut. Mit dem Wiedereinstieg bei der alten Firma hat es nicht geklappt. Erst bot man mir einen Assistentinnen-Job an, den ich aber langweilig fand. Dann erhielt ich das Angebot für einen attraktiveren Job, aber der war mit vielen Reisen verbunden, und das hätten wir nicht hinbekommen mit den beiden Kleinen. Die Alternativen waren so inakzeptabel, dass ich mich finanziell habe abfinden lassen und ausgestiegen bin. Das ist zugegebenermaßen riskant, aber manche Jobs macht man besser in Eigenregie.
Wir haben es so aufgeteilt: Freitags hat Ben die Kinder. Das ist für mich der entspannteste Tag der Woche, weil er das komplette Kinderprogramm übernimmt. An den übrigen Tagen habe ich alles an der Hacke: meine Arbeit, das Bring- und Holprogramm der Kinder, den Einkauf, die Nachmittagsveranstaltungen und den Kinderarzt. Eben alles, was mit zwei Kindern so anfällt. Es schlaucht ungemein, wenn fast alles an einer Person hängen bleibt. Darum will ich an der Aufteilung etwas ändern. Ich wünsche mir, dass Ben mehr zu Hause übernimmt und ich mehr und in Ruhe arbeiten kann.
Aber die Rollen neu zu verteilen ist gar nicht so einfach. Wir haben die klassische Situation: Ben verdient mehr als ich, er ist der Hauptverdiener, wie es so schön heißt. Schon das Wort macht mich aggressiv. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Hauptverdiener . Das klingt ja so, als sei ich hier der Assi. Dabei müsste ich ein Spitzengehalt beziehen. Schließlich mache ich fast den ganzen Haus- und Kinderjob. Eine Herdprämie, wie sie von manchen Konservativen favorisiert wird, will ich natürlich nicht. Denn damit wird der Zustand, dass Frauen nicht arbeiten gehen, nur weiter manifestiert. Und das halte ich für ganz gefährlich. Mal abgesehen davon, dass es auf Dauer zu Hause etwas langweilig werden kann – auch die eigene Rentenkasse bleibt leer. Sie füllt sich nur, wenn wir Monat für Monat etwas ansparen. Wenn Mama jahrelang zu Hause bleibt oder nur einen Minijob hatte und folglich nichts oder nur wenig für die Rente anspart, dann ist sie im Alter voll und ganz auf seine Rente angewiesen. Und wenn die Ehe geschieden wird, dann ist richtig Ebbe.
Berechnungen des Bundesozialministeriums ergaben, dass Frauen, die 45 Jahre lang einen Minijob zum Beispiel auf 400-Euro-Basis machen, später gerade mal eine Rente von monatlich 139,95 Euro erhalten. Das sollte man mal klar und deutlich sagen: Frauen, die nicht für sich selbst vorsorgen, werden später eine Rente unterhalb der Grundsicherung erhalten. Die liegt heute bei 680 Euro. Im Moment beträgt die Durchschnittsrente alleinstehender Frauen in den alten Bundesländern 522 Euro. Das reicht in vielen Fällen nicht mal für die Miete.
Es braucht mehr steuerliche Anreize für Frauen, damit sie arbeiten gehen. Im Moment ist es bei verheirateten Paaren ja so, dass das Ehegattensplitting zum Zuge kommt. Das bedeutet, dass das gesamte Einkommen eines Paares
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