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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
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es.
    Aber Mutter macht sich Gedanken um mich!
    Ich jubelte innerlich: Endlich einmal schlug sie sich auf meine Seite. Doch der Triumph war nur von kurzer Dauer,
denn schon im nächsten Moment musste ich miterleben, dass Mama wie ein dummes Schulmädchen zusammengestaucht wurde.
    »Was bildest du dir ein, dich in meine Angelegenheiten einzumischen! Du hast mir überhaupt nichts zu sagen. Die Erziehung der Mädchen ist allein meine Sache, und ich weiß genau, was ich zu tun und zu lassen habe.«
    Muazzez schwieg betroffen. Die übermächtige Arife aber war noch nicht fertig.
    »Im Übrigen ist Ayşe genau wie du, und du weißt, was ich von dir halte.«
    Ich konnte mir damals zwar keinen Reim darauf machen, was genau damit gemeint war, aber unterm Strich war sonnenklar, dass sie eine tiefe Abneigung uns beiden gegenüber hegte. Zum ersten Mal fühlte ich so etwas wie eine innere Verbundenheit zwischen Mutter und mir.

    Karacabey, Westtürkei, im Jahr 1953
     
     
    Als Mama und Baba sich zum ersten Mal begegneten, so erzählten sie gern, verliebten sie sich sofort ineinander. Muazzez war noch blutjung, ganze 14 Jahre alt. Nach traditionellem Recht hatte sie damit aber bereits das heiratsfähige Alter erreicht. Nicht wenige Mädchen werden dann sogar heute noch mit einem Mann, oft selbst noch ein Jüngling, vermählt. Sie werden »in die Ehe gegeben«, wie es so schön heißt.

    Bei Mama und Baba aber verhielt es sich anders. Ganz anders. Sie sollten nicht heiraten, sie wollten es. Das war riskant, aber sie hatten beschlossen, alles auf eine Karte zu setzen. Sie planten Muazzez’ Flucht aus ihrem Elternhaus! Bei Nacht und Nebel machte das Mädchen sich auf, um bei ihrem geliebten Turhan zu sein. Freunde gaben dem Liebespaar heimlich Unterschlupf.
    Das war starker Tobak! Die Flucht der Tochter des Hauses zu ihrem Angebeteten schlug in der Verwandtschaft ein wie eine Bombe. Und auch Turhans Familie war alles andere als erbaut. Schließlich hatte sich Turhan, der älteste Sohn Babannes und Alis, damit ebenfalls einer flagranten Grenzüberschreitung schuldig gemacht. Ich bekomme jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich mir das vorstelle: meine Eltern im Mittelpunkt einer hochdramatischen, echt orientalischromantischen Liebesgeschichte wie aus dem berühmten 1001 Nacht !
    Die beiden wollten die Heirat erzwingen. Mit allen Mitteln. Und ihr gewagter Plan ging auf! Nur eine einzige Nacht waren die Liebenden unbeaufsichtigt zusammen - aber das war nach den Gesetzen von Sitte und Moral schon eine Nacht zu viel …
    Nun gab es zwei Möglichkeiten, um die verletzte Ehre beider Familien wiederherzustellen: entweder die schleunige Heirat des Paares - oder eine feindselige Auseinandersetzung zwischen den beiden Sippen. Glücklicherweise siegte die Vernunft. Die Leidenschaft überließ man den bald Frischvermählten.
    Doch die Abkühlung ließ nicht lange auf sich warten. Nicht zwischen Muazzez und Turhan - diese beiden haben
sich immer geliebt, das kann mit Fug und Recht behauptet werden. Wohl aber hinsichtlich ihrer Beziehung zu Turhans Familie, die nun den Rahmen ihres gemeinsamen Lebens bildete. Muazzez zog zu Turhan auf den Gutshof seiner Familie in Karacabey. Dort lebten damals Oma und Opa mit ihren vier Kindern, zwei Söhnen und zwei Töchtern.
    Wie schon erwähnt: In der türkischen Großfamilie wird das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern von Leistung und Gegenleistung bestimmt. Muazzez und Turhan hatten ihren Willen bekommen. Nun aber mussten sie dafür bezahlen. Man kann sich ausmalen, wer den Preis festsetzte. Und wer ihn zu entrichten hatte.
    Unerbittlich machte die Schwiegermutter ihre Schwiegertochter zur Familiensklavin. Das junge Mädchen musste bis zur Erschöpfung putzen, waschen, kochen und aufs Wort gehorchen. Auch als sie mit 15 Jahren zum ersten Mal guter Hoffnung war, gewährte Babanne ihr nicht den Hauch einer Schonung. Mama musste während der gesamten Schwangerschaft Schwerstarbeit in Haus und Hof verrichten. Vermutlich, ohne dafür ein einziges Wort der Anerkennung oder gar des Dankes zu bekommen.
    So oder so ähnlich ging und geht es in unzähligen Familien zu, und man sollte sich vor der Behauptung hüten, dies sei allein im islamischen Kulturkreis so. Typisch für unsere Familie ist, dass es nicht lange gut ging. Aber auch, dass kein Aufstand der Entrechteten den Stein ins Rollen brachte. Nein, es fand keine Revolution statt. Eher ein stiller Auszug aus dem Elend. Die folgende Geschichte habe ich von

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