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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
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Mal?«
    Diese Versuchung steht im Dienste der Faulheit und Abgestumpftheit. Die andere ist die Dienerin des Ehrgeizes. Ein Beispiel: Mitunter kommt ein - meist weiblicher - Medienmensch zu mir und meint genau zu wissen, was ich zu tun habe.
    »Du, Ayşe, hast du mitgekriegt, dass Die-und-Die in ihrer letzten Sendung einen ganz anderen Schnitt hatte? Den hat ihr Der-und-Der gemacht. Und da bin ich fast neidisch geworden. Die sah tatsächlich aus wie neu - bei der tollen Frisur fiel gar nicht ins Gewicht, wie schlecht ausgeleuchtet und überschminkt sie war.«
    Armselig wäre es, wenn die Stylistin jetzt der Versuchung erläge, es mindestens so gut machen zu wollen wie Der-und-Der. Womöglich noch, obwohl sie selbst auch die Sendung gesehen hat und fand, dass Die-und-Die dabei einfach nur »Banane« aussah. Jeder Mensch ist einzigartig - und selbst wenn er sich als Abziehbild seines Idols begreift, hat er als mein Kunde immer noch ein Recht darauf, seriös beraten zu werden!
    Auch als sogenannte Topstylistin beachte ich das simple Motto meines ersten Lehrmeisters: »Seele und Gefühl!«
    Sobald Herr Stepanovic einen Termin mit einer Stammkundin gemacht hatte, kam er ins Überlegen: Was kann ich verändern? Was passt zu ihrem Typ? Wie nehme ich ihr die Angst davor, etwas Neues zu wagen? Wie bringe ich sie dazu, ihr Potenzial zu entdecken?

    »Hati, hast du an meinen Mini gedacht?«
    Wir stehen in der Waschküche unseres Wohnblocks. Fünf Minuten fürs Umziehen. Sonst kommen wir zu spät - Hati zur Schule, ich zur Arbeit. Ja, sie hat dran gedacht! Zippt den Reißverschluss ihres selbstgenähten Overalls auf und holt den Stofffetzen raus, den ich jetzt anziehen werde. Meine züchtigen schwarzen Beinkleider kommen ganz hinten ins Wäscheregal. Dort bleiben sie bis nach Dienstschluss. Wenn ich nach Hause komme, wird niemand ahnen, dass ich tagsüber der Familie Schande bereitet habe, indem ich Knie zeigte. Jetzt kommt das Make-up dran. Alles in Windeseile! Den kleinen Spiegel mit dem Plastikrahmen haben wir an die Wand genagelt. Niemand beachtete ihn dort, wahrscheinlich hängt er heute noch da. Die Schminksachen verbergen wir in unseren Handtaschen.
    Bevor wir die elterliche Wohnung wieder betreten werden, heißt es dann: Runter mit der Farbe! Weg mit Lidschatten und Wimperntusche! Wieder rein in die langen Hosen!
    Ich änderte mich in Riesenschritten. Aß mit größerem Appetit, bekam an den richtigen Stellen Rundungen, war nach wie vor sehr schlank, aber nicht mehr »Nadel und Faden«. Ich war stolz darauf, dass ich immer frisiert war. Meine Weiblichkeit hatte ich nicht zuletzt durch meinen Beruf entdeckt. Mittlerweile war für mich klar, dass dieser Beruf mein Ding war, wie auch immer die Zukunft aussehen würde.

    Aber nichts ohne meine Schwester!
    Etwas anderes war für mich nicht vorstellbar. Doch zu dumm, Hatice hatte ihre eigenen Pläne im Kopf.
    »Mein Traum, das ist und bleibt die Mode!«
    Sie war schon immer sehr bestimmt in ihren Ansichten. Und was das Thema Mode betrifft, so waren ihr Talent und ihre Kreativität nicht zu bestreiten. Sie kaufte sich keine »Klamotten«, wie sie Konfektionsware verächtlich nannte, sondern entwarf und nähte ihre Kleidung grundsätzlich selbst. Alles. Ob Kleider, Röcke, Blusen, Jacken, Overalls - meine Schwester sah stets betont individuell aus. Und sehr bunt. Sie wollte unbedingt Modedesignerin werden. Eigene Kollektionen entwerfen, Modenschauen organisieren. Schon in Susurluk, für unsere legendäre Laufsteg-Show mit den Nachbarskindern, hatte sie für alle die Kleider genäht. Nun begann sie eine Schneiderlehre.
    Hatice - so sanft und zurückhaltend, wie sie sich gibt - weiß ihre Absichten überaus zielstrebig zu verfolgen. Sie ist eine Meisterin der Eroberung im Handstreich. Dabei bedient sie sich zweier gegensätzlicher Methoden: Entweder sie versprüht ihren umwerfenden Charme, was die eine Hälfte der Menschheit regelmäßig weich werden lässt. Oder es geht zack-zack, und schon ist sie da, wo die andere Hälfte erst mal hinkommen muss! In diesem Fall hatte sie mich mit Methode Nummer zwei überrumpelt.
    Da musste ich tief Luft holen! Wir waren doch gerade erst wieder vereint worden. Und jetzt wollte sie eigene Wege gehen, ohne uns beiden als Team eine Chance zu geben? Außerdem hatte ich das deutliche Gefühl, dass es ihr auf Dauer nicht guttun würde, jeden Tag allein vor der
Nähmaschine zu sitzen. Sie war doch ein lebenslustiger, kommunikativer Typ, der unter

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