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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
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dass das erste Mal im Leben einer Frau sehr prägend ist.«

    »Ach ja, wer hätte das gedacht!«
    Wir lachen und prosten uns noch einmal zu. Sibels Blick, vom Prosecco inspiriert, wird noch eine Spur provozierender.
    Wenn zwei Türkinnen sich über das erste Mal unterhalten, wird es ernst. Wir haben nun mal eingebläut bekommen, dass die Jungfräulichkeit des Weibes höchstes Gut sei, welches es um jeden Preis für den künftigen Gatten zu bewahren gelte. Selbst unter Mädchen, die in zweiter Generation in Deutschland aufgewachsen sind, ist das erste Mal ein Riesenthema. Heftig diskutiert nicht zuletzt mit deutschen Freundinnen, die in der Regel ganz andere Ansichten haben.
    »Wollen wir uns das Thema nicht lieber für nachher aufheben?«, schlage ich vor. »Prosecco reicht dafür nicht. Nachher gibt’s Champagner, da komme ich vielleicht eher in Stimmung.«
    »Okay, aber glaube mir, ich werde darauf zurückkommen. Was ziehst du eigentlich an heute Abend?«
    Dankbar nehme ich den Themenwechsel an. Für heute habe ich mir ein schwarzes Chiffonkleid mit Spaghettiträgern ausgesucht, das ich mit einem Bolero aus dünnem Handschuhleder kombiniere. Dazu goldene Sandalen, die passende Handtasche - mir gefällt’s.
    Sibel jedenfalls sieht hinreißend aus in ihrem figurbetonten, klassischen Etuikleid und den edlen Pumps.
    »Das Taxi ist da«, flötet sie, zieht sich ihr Jäckchen über, und los geht’s.
    »Auf zum Sehen und Gesehenwerden.«

    Zu fortgeschrittener Stunde, nach Serien von Begrüßungsküsschen, Smalltalks und flirtiven Gesprächen, haben wir beide es uns in einer Fensterecke in tiefen Ledersesseln gemütlich gemacht. Es gibt ein Flying Buffet. Hübsche Boys, wohl von einer Modelagentur gecastet, balancieren ihre Tabletts durch die Menge. Man ist inzwischen beim Dessert angekommen.
    »Ein Petit Four gefällig, die Damen? Hat kaum Kalorien«, neckt uns ein attraktiver Tablettträger und hält eine ganze Batterie von Törtchen mit hellblauer, rosa und gelber Glasur hin.
    »Mmh, lecker«, strahlt Sibel ihn an. »Aber dazu brauchen wir jetzt noch ein Glas Schampus.«
    Zwei Minuten später habe ich keine Chance mehr, der Frage des Abends zu entkommen. Wir prosten uns zu, nehmen einen Schluck und lehnen uns zurück. Schon schaut sie mir tief in die Augen und nickt mir aufmunternd zu.
    »Wie war ich doch verliebt in diesen Jungen. Ach was - in diesen Mann! Er war ja um Jahre älter als ich. Und bestimmt der Hübscheste auf unserer Berufsschule, in meinen verliebten Augen sogar der Schönste von ganz Darmstadt. Groß, männlich, ausgeprägte Nase. Wunderschöne blaue Augen, lange goldbraune Locken bis zu den Schultern, immer supercool angezogen. Sogar an sein Parfum kann ich mich noch erinnern. Etwas ganz Herbes, Holziges. Und er war braungebrannt wie ein Surfer.«
    Ich nehme noch einen Schluck und fahre gedankenverloren mit dem Finger über den Glasrand. Ich bin jetzt doch etwas erstaunt, dass ich immer noch so von ihm schwärmen kann.

    »Der absolute Frauentyp. Er hatte so ziemlich alle Mädchen in der Klasse. Ja, und einmal auch mich …«
    Das muss reichen, auch wenn Sibel jetzt schwer enttäuscht ist. Den Rest der Geschichte überlasse ich ihrer Fantasie. Meine Gedanken aber schweifen zurück.

    Während einer Klassenfahrt nach Hamburg kommt er nachts in der Jugendherberge in mein Zimmer geschlichen. Klettert zu mir ins Hochbett. In dem Raum liegen noch vier andere Mädchen. Alle kriegen mit, was zwischen uns geschieht, aber keine traut sich, etwas zu sagen.
    Ganz still und heimlich muss es gehen. Und schnell. Trotzdem ist es wunderschön. Ich bin sooo verknallt - da ist alles toll, wie es ist, egal wie und wo. Und damit hat es sich leider auch schon. Drei, vier Tage später teilt er mir mit, dass er keine Beziehung möchte. Mit keiner.
    »Verlieb dich bloß nicht. Es ist mein Hobby, alle Frauen rumzukriegen.«
    Ich wusste das ja schon von meinen Klassenkameradinnen. Und bin nicht einmal traurig. Dabei war ich doch eben noch so verknallt in … wie hieß er noch gleich?
    Das also ist die Geschichte meiner Entjungferung. Für mich weniger erotische Initiation als persönliche Emanzipation von der geballten Macht der Religion und des Patriarchats. Ja, ich bin durchaus stolz darauf, mir als junge türkische Frau die Freiheit genommen zu haben, selbst über meinen Körper zu entscheiden. Ganz ohne Schuldgefühle.

    Es war jene Zeit, in der Aynur und Naime, zur großen Freude unserer Eltern, nach alter Väter

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