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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
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Sitte türkische Männer heirateten und auszogen. Ahmet, mein ältester Bruder, war so sehr mit seinem Ingenieurstudium beschäftigt, dass er sich zu Hause kaum noch blicken ließ. Damit wohnten im Jungenzimmer noch Mehmet und Ali. Im Zickenzimmer jedoch waren wir nun zu dritt - aber ein erstaunlich harmonisches Trio! Irgendwie hatte sich die Stimmung komplett gedreht. Hielt im Alter von 17 beziehungsweise 16 Jahren etwa die Vernunft in unsere Köpfe Einzug, um die kleinlichen Grabenkämpfe endlich vergessen zu machen? Jede von uns hatte ihre Rolle gefunden, und wir ergänzten uns prima. Cavidan, unsere Gymnasiastin, war die Selbstbewusste, Strebsame und Begabte von uns dreien. Hati gab den Sonnenschein in der Familie und in ihrem Friseursalon. Und ich selbst? Ich verhielt mich zu Hause so unauffällig wie möglich, zog auch meine Lehre eisern durch, betätigte mich ansonsten aber als Feierabend-Rebellin.
    Was habe ich denn daheim zu verlieren? Die Eltern mögen mich doch sowieso nicht. Da kann ich auch gleich machen, was ich will!
    Und das tat ich denn auch mit wachsender Begeisterung. Aus mir wurde eine Nachtschwärmerin. Natürlich in allergrößter Heimlichkeit, denn trotz meiner zur Schau getragenen Coolness wollte ich so wenig wie möglich riskieren.
    Jeden Abend schleiche ich mich also aus der Wohnung, zu meiner Clique. Wieder eine neue Erfahrung: Im Kreise meiner neuen Freunde fühle ich mich akzeptiert, einfach so, wie ich bin. Oder wie ich glaube zu sein, als junger
Mensch auf der Reise zu sich selbst. Mit dabei Shandy, eine Farbige aus unserem Viertel, sowie sechs, sieben weitere Mädchen und Jungs aus dem bürgerlichen Milieu - alles Deutsche. Punkig aufgestylt ziehen wir durch die angesagten Clubs und Discos und lassen den Bären steppen. Na ja, das Bärchen. Hauptsache, ich gehöre dazu. Wunderbares Feeling!
    Rauschhafte Erfahrungen haben es so an sich, dass man sie in vollen Zügen genießt, aber kaum eine Erinnerung daran bewahrt. Nur Schlüsselszenen prägen sich ein. Zu dieser Phase meines Lebens gehört das Bild einer Frau: Cyndi Lauper. Sie muss so etwas wie ein One-Hit-Wonder gewesen sein, denn sie hatte den Hit der Disco-Welle: Girls just wanna have fun. Mein Programm! Da ich ein Mensch bin, der immer neue Informationen aufsaugen muss, wollte ich unbedingt mehr über diese Frau erfahren.
    Heimlich kaufte ich mir etwas, das unter Punkern als absolutes No-No galt: Bravo. Und da entdeckte ich sie, in trauter Nachbarschaft mit Ilja Richter, Otto und Konsorten - meine Cyndi! Die Bildstrecke erschien mir wie eine Offenbarung, aber was ich sah, war doch zu weit weg für mich, um es in eigene Ideen umzusetzen.
    Cyndi Lauper wurde nur wenig mehr als zehn Jahre vor mir geboren, aber unter einer fulminanten Schicht Schminke schien ein Gesicht verborgen, das meiner Mutter hätte gehören können. Was war der Grund, dass die Zeit an dieser wunderschönen Frau einen derartig guten Job gemacht hatte? Die Antwort fand ich in meiner unmittelbaren Umgebung. Noch heute bin ich meinem Schutzengel dankbar dafür, dass er mich vor jenen Versuchungen bewahrte, denen
manche meiner damaligen Freunde ihr blühendes Aussehen, wenn nicht ihr ganzes Leben opferten.
    Aber diese Frisur! O Allah, Cyndi! Wie hast du nur diesen Farbton in deine turmhoch toupierten Haare bekommen? Dieses fulminante Rot, das aber überhaupt nicht aufgedonnert wirkte. So intensiv, so sinnlich. Ein Rot, das einfach nur »rot« war. Schwierig zu erklären, aber so war es! Ich hatte nicht den Mut, es dir nachzutun. Mit dieser Farbe am Kopf wäre ich aus meiner Familie, aus der Gemeinschaft des Islam, aus dem geheiligten türkischen Vaterland exkommuniziert worden!
    Und dann, im Morgengrauen, immer das echte Grauen. Die Zitterpartie nach Hause. Ich hatte beim Rausgehen die Wohnungstür stets leicht offen gelassen, damit ich mich geräuschlos wieder einschleichen konnte. Arme Hatice, arme Cavidan. Jede Nacht mussten sie um mich bangen. Solange ich weg war, konnten sie vor Angst nicht richtig schlafen.
    »Wenn die Eltern dich erwischen, kannst du was erleben!«
    »Mir doch egal. So viel Schlaf wie ihr kann man in unserem Alter doch gar nicht brauchen.«
    Es ist schon erstaunlich, wie viel Kraft man als junger Mensch doch besitzt. Ein ganzes Jahr fast ohne Schlaf! Mit Ende 18 hatte ich trotzdem die Lehre erfolgreich beendet. Meine Noten waren zwar nicht berauschend - wie auch? Bei der persönlichen Belastung! Trotzdem: Etekleri zil çalıyor - meine

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