Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
Weise, wie er sich stylte, war eine höchst erfolgreiche Imagemaßnahme. Er konnte sich vor Kundinnen im Ü40-Alter kaum retten. Was dem unverbesserlichen Womanizer überraschende Kontrollbesuche seiner temperamentvollen, ihrerseits wie eine dalmatinische Fregatte aufgetakelten Scarlett O’Hara einbrachte. Kein Wunder, dass sie Eifersucht empfand, ihr Göttergatte war schlechthin der ideale Frontmann für den weiblichen Teil unserer Kundschaft.
Die Geschäfte liefen aber auch deshalb so gut, weil Herr Stepanovic etwas erkannt hatte, das einem weitsichtigen Ausländer in Deutschland den Sprung vom Gastarbeiter zum erfolgreichen Unternehmer ermöglichen konnte. Wo
immer es ging, baute er diese Erkenntnis in sein Geschäftsmodell ein, anders als so mancher seiner einheimischen Konkurrenten.
»Service, Service, Service!«
Obwohl er das englische Wort sehr lustig aussprach, mit weichem »s«, einem »ö« wie in »Österreich« und einem »r« wie eine rollende Meereswoge, war es ihm damit doch sehr ernst. Unermüdlich trichterte er uns Lehrlingen ein, dass man jederzeit eine zuvorkommende, hilfsbereite Haltung gegenüber den Kunden einnehmen und ihnen die Wünsche von den Augen ablesen müsse.
»Ihrrr müüsst wiedärrr dienen lärrrnen!«
Dieser Wahlspruch schien mir so altmodisch wie die Inneneinrichtung meiner neuen Arbeitsstätte. Doch es kam noch besser. Herr Stepanovic hatte sich in den Kopf gesetzt, mir noch ganz anderen Nachhilfeunterricht zu erteilen.
»Als ärrstes lärrrnst du mal aanständig Deutsch!«, meinte er schon am ersten Tag zu mir, »in meinem Saalong wiirrd hochdeutsch gesprochen.«
Dieser jugoslawische Zähneknisterer! Will mir beibringen, was hochdeutsch ist. Mann, ich habe gerade in Rekordzeit meinen Schulabschluss gemacht!
»Hochdeutsch? Was ist denn das? Das, was Sie selbst sprechen?«
Au weia! Keski agzimi havaya acsaydim veya tam türkce keske agzimi hic acmasyadim - hätte ich doch lieber meinen Mund nur für die Luft geöffnet! Herr Stepanovic aber besaß echtes Format. Statt sich beleidigt zu zeigen, sah er mich mit einer Mischung aus Mitleid und Belustigung an. Er redete ganz ruhig weiter, und da ich vom ersten Satz an, den er nun
sprach, eine Menge von ihm lernte, will ich mich hier auch nicht weiter über ihn lustig machen, indem ich von A bis Z seinen slawischen Akzent nachahme.
»Also, Mädel«, setzte er an, »als Erstes musst du mal begreifen, dass wir beide nie so gut deutsch sprechen werden wie die Deutschen oder wie unsere Landsleute, die hier geboren sind.«
Herr Stepanovic war im Übrigen erst einige Jahre in Deutschland, und man hätte eigentlich den Hut vor ihm ziehen müssen, weil er es bereits so weit gebracht hatte. Ich hörte ihm jetzt aufmerksam zu, schließlich wollte ich nicht gleich an meinem allerersten Tag wieder gefeuert werden.
»Also«, fuhr er fort, »merk dir eins: Es kommt nicht darauf an, dass wir begreifen, wie sich die deutschen Wörter hinten verändern. Du weißt schon, was ich meine: ob ein Wort mit m oder n aufhört oder mit nichts von beidem , je nachdem, wie es gebraucht wird.«
O ja, ich wusste, was er meinte. Es macht mir noch heute Schwierigkeiten, ich weiß es.
»Vergiss auch, ob in der Mehrzahl hinten e , en oder s steht. Auf den Hintern der Wörter kommt es nur für die Deutschen selber an, verstehst du? Nur die Deutschen blamieren sich, wenn sie ihn nicht richtig abputzen, und es gibt eine Menge von ihnen, für die schon das zu schwierig ist. Aber weißt du, was wir Ausländer nie vergessen sollten?«
Jetzt war ich doch neugierig geworden. Mein Meister fuhr fort mit seiner einzigartigen Nachhilfe.
»Du solltest nie vergessen, wie die Wörter vorne in deinen Mund reingehen.«
»Was, wie bitte?«
Ich verstand nur »Bahnhof«. Aber er erwartete anscheinend einen Kommentar von mir. Oder wenigstens eine Gegenfrage. Also raffte ich mich auf:
»Ja, und wie sollen die Wörter vorne in den Mund reingehen, bevor ich sie hinten dann doch noch falsch ausspreche?«
Herr Stepanovic war seiner Sache absolut sicher. Er grinste sein Rhett-Butler-Grinsen, warf seinen Ivan-Rebroff-Body in Positur und sagte nur ein einziges Wort:
»Lässig.«
»Wie bitte?«
»Läässiick.«
Er dehnte das Wort in unnachahmlicher Weise. Ein echter südländischer Charmeur! Steuerte effektvoll auf den eigentlichen Höhepunkt seines kleinen Vortrags zu:
»Söörrviss und Läässsick-keit - darin sind wir Ausländer die besseren Deutschen!«
Nun, es klang
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