Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
Familienproblems.
»Und er kommt hierher? Mit seiner Familie?«
Ich nicke. Und blicke ihr wieder unverwandt ins Gesicht.
»Klar doch!«
Tante Naile wäre nicht Tante Naile, wenn sie nun nicht sofort aktiv würde. Schließlich ist sie eine mit allen Wassern gewaschene Geschäftsfrau, die weiß, wie sie mit heiklen Situationen umgehen muss. Und mit dem Lager der Traditionalisten in unserer Familie wollte sie schon immer einmal abrechnen! Ich ahne wohl, wie es jetzt hinter ihrer Stirn arbeitet.
»Dann kann er ja noch ein paar Tage warten«, bemerkt sie lässig, »ich werde es ihm gleich mitteilen.«
Spricht’s und schreitet zur Tat. Natürlich horche ich heimlich mit, an die Wand neben den Türvorhang gedrückt. Nie hätte ich vermutet, dass ich mich gleich zweimal hintereinander über die Durchlässigkeit dieser albernen Buntplastikstreifen freuen würde.
»Stell dir vor, Turhan …«
Nailes Stimme hat jetzt jenen typischen Klang, dem normalerweise niemand in der Familie widerstehen kann. Weiblich-weich, aber voller Entschlossenheit, keinen Widerspruch duldend.
»… deine Ayşe kennt doch tatsächlich einen Mann, der sie auf der Stelle heiraten würde. Ein Türke! Gute Familie noch dazu. Willst du ihn dir nicht wenigstens einmal anschauen, bevor du weitere Schritte unternimmst?«
Jetzt ist es an meinem Vater, fassungslos zu sein. Aber natürlich glaubt er seiner Schwester kein Wort.
»Sakalıma anlat - das kannst du meinem Kinnbart erzählen!«
Aber nach einer Weile wird er doch neugierig.
»Wo will sie den denn so schnell aufgetrieben haben?«
Tantchen hat ihre Trümpfe gut sortiert. Jetzt zieht sie den nächsten aus dem Ärmel.
»Sie kennt ihn aus Hannover. Da hast du sie doch selbst weggeholt. Sonst wären sie vielleicht schon längst verheiratet.«
Nun ist es an mir, zu staunen. Eine raffiniertere Komplizin hätte ich mir gar nicht wünschen können. Aber so leicht ist Vater denn doch nicht zu kriegen.
»Wieso! Sie war doch mit diesem Jugo zusammen.«
Auweia, jede Sekunde kann das Komplott auffliegen. Armes Tantchen, fällt dir jetzt noch was ein? Arkadasınla beraber çaldiǧin Elmayıı Onunlan birlikte yemen gerekli - klaust du mit deinem Freund Äpfel, musst du sie auch mit ihm zusammen aufessen! Aber Naile ist eine schnelle Denkerin - und alles andere als auf den Mund gefallen.
»Bruder, du glaubst doch wohl selbst nicht, dass deine Tochter jemanden heiraten würde, der noch so grün ist hinter den Ohren wie dieser Dragan! Den hat sie doch nur aus einem einzigen Grund genommen: aus Opposition dir gegenüber. Aber dieser Bekir in Hannover, das ist ein gestandener Mann. Und sie meinen es beide ernst.«
Schweigen im Raum. Ich kann fast körperlich spüren, wie es in meinem Vater arbeitet. Entgegen seiner sonstigen Art ist er sehr wortkarg.
»Okay«, brummt er nach einer Weile, »soll mir recht sein. Wir können ihn uns ja mal ansehen.«
Mir fällt ein Stein vom Herzen … Hoffnung! Wenigstens etwas Zeit gewonnen …
Die folgenden Tage waren die spannungsgeladensten meines ganzen bisherigen Lebens. Rein äußerlich geschah nichts, aber in meinem Inneren tobte ein verzweifelter Kampf. Ich zermarterte mir das Hirn auf der Suche nach einem Ausweg. Aber da gab es nicht viel, was ich machen konnte.
Möglichkeit 1: Ich fliehe. Aber wohin? Und wie? Ich hatte kein Geld in der Tasche. Nicht mal meinen Pass hatte ich. Eine mittellose junge Frau, die sich nicht ausweisen
konnte, auf der Flucht vor ihrem Vater: Wie weit würde ich da wohl kommen, in diesem Land?
Möglichkeit 2: Ich gehe zur Polizei. Immerhin sind doch in der Türkei Zwangsehen verboten! Aber was würde dabei schon herauskommen? Mein Vater würde alles abstreiten, und ich stünde dumm da. Was gäbe es auch zu beweisen? Nichts, gar nichts. Und anschließend würde das ganze Spiel einfach so weitergehen wie bisher. Ein einziger, nicht enden wollender Nervenkrieg.
Möglichkeit 3: Bekir. Ja, Bekir. Je länger ich über meine Lage nachdachte, desto mehr träumte ich mich in die Vorstellung hinein, dass er mein Retter werden würde. Quasi aus dem Nichts auftaucht und mich hier herausholt.
Bekir, wo stehst du? Du hast nichts gesagt. Es war ich, die aufgelegt hat.
Was für ein Fehler, die Nerven zu verlieren und das Gespräch mit ihm abzubrechen! Kann ich nicht doch irgendetwas tun?
Ich bin so verzweifelt, mir ist jetzt jedes Mittel recht. Ich setze ein, was ich nur habe. Auch die Waffen einer Frau.
Jawohl, ich sollte meine Tante
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