Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
mich.
»Äh, ja, ich wurde von einer Minute auf die andere rausgerissen aus meinem Leben. Und jetzt will er mich hier mit einem Mann verheiraten, den ich gar nicht kenne. Von heute auf morgen, einfach so.«
Und ich schicke einen weiteren Satz hinterher, um meine Karten bei ihm noch etwas zu verbessern. Es ist alles, wozu ich jetzt in der Lage bin, um ihn zu gewinnen, und es ist nicht mal gelogen.
»Sonst hätte ich mich doch ganz bestimmt wieder bei dir gemeldet.«
»Hättest du das wirklich getan?«
»Ja, das hätte ich. Ganz bestimmt.«
Ich hatte tatsächlich vorgehabt, es mit diesem Mann zu versuchen. Wenn ich jetzt, in dieser mehr als misslichen Lage, vor allem an mich selbst dachte, so stimmte es doch gleichwohl.
»Aber Ayşe, das ist ja furchtbar, was man mit dir macht.«
Als wenn ich durch seine mitfühlenden Worte erstmals so richtig mitbekommen hätte, in welcher Gefahr ich schwebe, brechen jetzt alle Dämme bei mir. Ich heule einfach los, und es ist mir ganz egal, ob die Leute vorn in der Gaststube es mitbekommen.
Wir schweigen uns erst einmal eine Weile durchs Telefon an. Er ist es, der wieder das Wort ergreift.
»Ayşe, Ayşe, was sollen wir machen? Wie kann ich dir helfen?«
Hat er soeben wir gesagt? Was wir machen sollen? Ich bin kurz davor, ihn ganz direkt zu fragen, ob er mir aus der Patsche helfen würde, indem er, nun ja, indem er herkommt und mich vom Fleck weg heiratet. Aber kann ich das einfach so machen? Darf ich es? Nein, ich bringe es nicht fertig …
Wieder diese Stille. Nichts zu hören zwischen Susurluk und Hannover außer meinem Schniefen und seinem schweren Atem. Aber es arbeitet in uns beiden, keine Frage …
Und dann kann ich nicht mehr. Aus und vorbei. Ich bin einfach nur noch fertig. Lege auf und fühle mich wie am Boden zerstört.
In diesem Moment glaube ich nicht mehr mit einer einzigen Faser meines Seins daran, dass mein tollkühner Plan aufgehen würde. Ein schöner Plan, gewiss - aber eben völlig
unrealistisch. Bekir stammt aus einer angesehenen Familie in Ankara. So viel weiß ich. Er hatte sich mir als Versicherungsvertreter und Immobilienmakler vorgestellt. Sein Auftreten ließ keinen Zweifel daran, dass er in den Augen meines Vaters eigentlich eine gute Partie sein müsste. Aber eine Blitzheirat? Ein vermessener Gedanke, zumal in einer so verfahrenen Situation.
Immerhin: Kaum bin ich wieder im Schoße meiner Familie, ändert sich meine innere Verfassung erneut. Die Gegenwart jener zwei Menschen, die sich dazu verschworen hatten, mir mit aller Gewalt ein Leben nach ihren Vorstellungen aufzuzwingen, muss der Grund dafür sein. Es putscht mich nochmals regelrecht auf.
Nein, ich werde nicht aufgeben. Niemals! Schließlich geht es um meine Zukunft, um mein Leben.
Was ich jetzt am dringendsten brauche, ist Zeit. Das heißt, unter allen Umständen einen Aufschub im Programm meines Vaters zu erwirken. Immerhin dafür würde mir mein Anruf in Deutschland nützlich sein.
Vom Hof aus kann ich meine Tante in der Küche sehen.
»Psst, Teyze !«
Ich gebe ihr ein Zeichen. Und sie spielt mit, zusammen verschwinden wir in der Laube. Ich werde jetzt alles auf eine Karte setzen. Niemals werde ich mit einem wildfremden Mann in Susurluk leben! Das steht für mich fest. Ich weiß zwar noch nicht, wie ich meinen Kopf aus der Schlinge ziehen kann. Eines aber weiß ich: Ich brauche jetzt Zeit. Zeit zum Nachdenken, um einen Plan zu schmieden. Jetzt werde ich das Blaue vom Himmel herunterschwindeln. Wieder schaue ich ihr ganz entschlossen in die Augen.
»Tante, ob du’s glaubst oder nicht, es gibt einen anderen Mann, der mich heiraten wird.«
Sie ist so fassungslos, dass ich das Gefühl habe, gleich kippt sie mir nach hinten weg. Zum Glück stehen wir an unserer Sitzecke, und sie kann sich auf den Diwan fallen lassen. Wehrlos, wie sie ist, muss sie sich alles anhören, was ich sage.
»Ich habe gerade mit Deutschland telefoniert. Er lebt in Hannover. Stammt aus einer guten Familie in Ankara. Am Sonntag kommen sie und halten um meine Hand an.«
Ich muss jetzt ganz stark sein! Nur nicht den Eindruck aufkommen lassen, dass es sich um ein Täuschungsmanöver handelt. Kim en Kurnaz yalancıysa ona Komşunun Eseǧi bile ianır - wer am dreistesten lügt, dem glaubt sogar der Esel des Nachbarn.
Aber Tantchen kommt gar nicht auf die Idee, mich für eine Schwindlerin zu halten. Vielmehr ist sie merklich erleichtert über die unvorhergesehene Möglichkeit zur Lösung unseres
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