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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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Hinsicht den Gegenentwurf zum kurzsichtig renditegetriebenen Großkonzern.
    Allerdings ist auch die Welt der Hidden Champions keine Idylle. Hermann Simon verweist darauf, dass viele Hidden Champions schließlich an Konzerne verkauft wurden, weil die Familie das Nachfolgeproblem nicht lösen konnte. Diese Einbindung fesselt die einstigen Erfolgsträger oft so sehr, dass sie verkümmern. Und schlimmer: Jeder zwölfte Hidden Champion ist innerhalb des letzten Jahrzehnts an einen Private-Equity-Hai veräußert worden. Leidtragende solcher Entwicklungen sind die Kunden, denen ein bestimmtes Produkt oft nicht mehr in bisheriger Qualität zur Verfügung steht, und natürlich die Beschäftigten, deren Arbeitsplätze und soziale Existenz akut gefährdet wird. Den Unternehmenserben dagegen beschert der Verkauf in der Regel ein viele Millionen schweres Vermögen, von dessen Erträgen sie bis ans Ende ihrer Tage sorglos leben können.
    Familienknatsch statt Sorge um das Unternehmen
    Selbst wenn es nicht (oder zunächst nicht) zum Verkauf kommt, wird die Entscheidungsfindung in vielen Familienunternehmen spätestens ab der zweiten Eigentümergeneration von Konflikten und Auseinandersetzungen überlagert, die mit betriebswirtschaftlichen Fragen wenig zu tun haben.
    Drei Ökonomen von der Universität Witten-Herdecke haben sich in einer bereits zitierten Studie mit dem Thema »Mehrgenerationen-Familienunternehmen« beschäftigt. Sie kommen zu dem Schluss, dass die moderne »Auflösung großfamilialer Strukturen verbunden mit Tendenzen zur Individualisierung« für solche Unternehmen »auf der Eigentümerseite wichtige Stützkräfte erodieren« lässt. Sie stellen fest: »Dieses in sich sehr konfliktträchtige Vis-à-vis auf der Eigentümerseite kann das Management eines Familienunternehmens ganz erheblich erschweren, wenn nicht gar die Unternehmensentwicklung zur Gänze lähmen.« 196
    Die Autoren weisen darauf hin, dass die Familie »nun einmal der Ort [ist], wo Emotionen die Handlungen leiten«. Eine häufige Konsequenz sei: »Das Unternehmen wird zum Kriegsschauplatz. Im besten Fall … wird das Unternehmen verkauft oder aufgeteilt, um die Beziehungen zu entflechten, die Territorien gegeneinander abzugrenzen und sich aus dem Weg zu gehen. … Aber bis es dahin kommt, haben meist längerfristige Auseinandersetzungen an der finanziellen Substanz des Unternehmens gezehrt. Im schlechtesten Fall führt der alltägliche Kleinkrieg zum langsamen, aber unaufhaltsamen Sterben des Unternehmens.« 197
    In eine ähnliche Richtung wirke der »immer wieder zu beobachtende« Fall: »Das Unternehmen wird einseitig zur Einnahmequelle genutzt, damit zum Spielball kurzfristiger Gesellschafterinteressen und kann das erwirtschaftete Kapital nicht mehr prioritär in die eigene Unternehmensentwicklung stecken.« 198 Es findet also eine ähnliche Auszehrung der Substanz wie bei Shareholder-Value-Unternehmen statt. Handelt es sich indessen nicht um marktmächtige Konzerne, wird dadurch schnell eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, die im Bankrott des Unternehmens endet.
    Ancien Régime statt Moderne
    Anders als im Falle börsennotierter Gesellschaften lässt Familieneigentum zwar vernünftige Managementprioritäten zu, aber auch hier finden diese sich vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen und solange die Gründer selbst Eigentümer und Geschäftsführer sind. Je größer das Unternehmen wird und je stärker sich die Eigentümerfamilie von seiner operativen Führung entfernt, desto unwahrscheinlicherwird das. Selbstverständlich gibt es Beispiele für selbst noch in der vierten Generation gut, kundennah und beschäftigungsorientiert geführte große Familienunternehmen. Dennoch stellt sich die Frage, wie vertretbar Verhältnisse eigentlich sind, in denen die soziale Existenz von tausenden Beschäftigten und die Investitionsentwicklung in wichtigen Wirtschaftsbereichen von den zufälligen Fähigkeiten eines nach Erbfolge bestimmten Patrons oder von Sippeneifersüchteleien in Großfamilien abhängig sind.
    Mit den Grundwerten einer modernen Gesellschaft, zu denen Individualität, Chancengleichheit und Leistungsprinzip wesentlich gehören, haben die Fundamente der heutigen wirtschaftlichen Eigentumsordnung jedenfalls wenig zu tun. Hier spielen stattdessen Geburt, Familienstamm und Erblichkeit die tragende Rolle. Einer der wichtigsten Gesellschaftsbereiche, die Wirtschaft, wird also heute noch nach den gleichen Prinzipien organisiert, auf denen in

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