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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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der feudalen Ordnung das gesamte gesellschaftliche Leben beruhte.
     
    Politische Macht ist heute nicht mehr unmittelbar erblich, wirtschaftliche Macht dagegen ist es, und mit ihr vererbt sich auch die Macht, der ganzen Gesellschaft die eigenen Interessen aufzuzwingen.
     
    Zur Rechtfertigung dieser archaischen Eigentumsverfassung auf einzelne Unternehmenserben zu verweisen, die solide und gute Unternehmen führen, ihre Beschäftigten ordentlich bezahlen und Arbeitsplätze möglichst lange erhalten, ist dabei in etwa so überzeugend, wie die Feudalordnung mit dem Hinweis darauf zu rechtfertigen, dass es doch auch Grundherren gab, die sich als treusorgende Patriarchen um das Schicksal ihrer bäuerlichen Untertanen kümmerten und denen das Wohl der Bewohner jenes Landfleckens, dessen Verwaltung ihnen erblich zugefallen war, nicht gleichgültig gewesen ist.
    Man sage nicht, der Unterschied bestehe darin, dass der leibeigene Bauer sich seinen Grundherren nicht aussuchen konnte, während die Beschäftigten heute frei seien, ein Unternehmen, dessen Patriarch ihnen missfällt, jederzeit zu verlassen. Angesichts zerstörter sozialer Netze und millionenfacher Arbeitslosigkeit existiert diese Freiheit für viele eben auch nur in der Theorie.
    Funktionslose Erben
    Viele Unternehmensgründer haben offenbar selbst Zweifel an der Befähigung ihrer Nachkommen zur Unternehmensleitung. Darin liegt, neben Gründen der Steuerersparnis, ein wesentlicher Grund für die nachhaltige Renaissance des Stiftungswesens. Schon heute wird eine wachsende Zahl von Großunternehmen von Aldi Nord bis Thyssen Krupp, vom Imperium des Ferdinand Piëch bis zum Automobilzulieferer Bosch, von Bertelsmann bis Lidl von Stiftungen kontrolliert. Mit Wohltätigkeitserwägungen hat dieses eifrige Stiften höchstens am Rande zu tun, viele Stiftungen schmücken sich nicht einmal äußerlich mit dem Mantel der Gemeinnützigkeit. Sie sind vielmehr eine praktikable Möglichkeit für die Inhaber von Familienunternehmen, unfähige Nachkommen von der Leitung auszuschließen und eine Zersplitterung des Betriebsvermögens ebenso zu verhindern wie ein Ausplündern seiner Substanz, wobei den Erben die Erträge des Unternehmens über die Stiftung weiterhin zufließen.
    Die Nachkommen, die so zu bloßen Geldempfängern werden, können dann keinen großen Schaden im Unternehmen mehr anrichten. Worin der Nutzen solcher Erben und ihrer Millionenbezüge für die Entwicklung der Produktivität oder den Innovations- und Erfindungsgeist der Wirtschaft dann noch bestehen soll, ist schwer zu erkennen. In Wahrheit stünden die Unternehmen natürlich besser da, wenn sie sich die sinnlosen Ausschüttungen ersparen und auch dieses Geld intern verwenden könnten. Solche Erben sind also betriebswirtschaftlich ebenso funktionslos geworden wie die Aktionäre, deren garantiertes Recht, an Gewinn und Wertsteigerung der Unternehmen zu partizipieren, schon der große amerikanische Ökonom John Kenneth Galbraith mit feudalen Privilegien verglichen hatte. 199
    Selbstverständlich betrifft das Stiftungswesen vor allem größere und große Unternehmen. Wenn der Italiener um die Ecke sein Restaurant an seine Kinder übergibt, wird keine Stiftung gegründet, und auch die Familienstreitigkeiten halten sich bei kleinen und mittleren Betrieben meist in Grenzen. Immerhin wird in solchen Fällen in der Regel keine Geldkuh vererbt, sondern in erster Linie Arbeit (und ein Arbeitsplatz, was heutzutage viel wert ist). Natürlich gibt es auch in kleinen und mittleren Unternehmen Missmanagement, Fehlentscheidungenund Knatsch. Nur sind die Folgen ohne größeres volkswirtschaftliches Gewicht. Das betrifft dann zehn oder zwanzig Beschäftigte (für die es natürlich bitter ist), aber es sind nicht hunderte oder tausende, und in keinem Fall hängt die Investitionsentwicklung ganzer Branchen von den Launen der Eigentümer einzelner Unternehmen ab. Überdies diktieren kleine und mittlere Unternehmen keinem Staat die Konditionen, erpressen niemanden und schreiben in der Regel auch nicht an Gesetzen mit. Vielmehr sind sie meist harter Konkurrenz ausgesetzt und werden für Fehler sehr schnell mit dem Verlust ihrer Existenz bestraft.
    Eigentümerrechte und wirtschaftliche Macht
    Es gibt also einen grundlegenden Unterschied zwischen Großunternehmen mit gesellschaftlicher Macht und jenen 99,8 Prozent kleinen und mittleren Firmen. Es sind die Ersteren, die den Takt vorgeben, nach dem die gesamte Wirtschaft tanzt. Solange

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