Freiheit statt Kapitalismus
dem deutschen Unternehmensberater und Wirtschaftsprofessor Hermann Simon bekannt gemachten Hidden Champions, die verborgenen Weltmarktführer auf Nischenmärkten für bestimmte Qualitätsprodukte. Die Hidden Championsinvestieren viel, sind sehr innovativ, halten ihre Mitarbeiter in der Regel langfristig und erobern ihre Märkte mit überlegener Qualität. Sie verfolgen damit ein grundsätzlich anderes Geschäftsmodell als das in den letzten Abschnitten geschilderte. Ein Unterschied der deutschen Wirtschaft im Vergleich etwa zur amerikanischen besteht darin, dass solche Firmen hier noch keine absolute Ausnahmeerscheinung geworden sind.
Die wirtschaftliche Szenerie sähe anders aus, wenn nur noch gezockt, manipuliert und abgestaubt würde. In vielen Unternehmen werden unverändert Spitzenleistungen erbracht, Millionen Beschäftigte arbeiten trotz teilweise mieser Löhne mit höchstem Einsatz, sie sind kreativ und haben Ideen, sie setzen sich für beste Qualität und Kundennähe ein. Gerade in den unzähligen kleinen und mittleren Firmen.
Aber das Investitions- und Innovationsklima der Wirtschaft wird von den Großen bestimmt und hier geht der Trend eindeutig in Richtung der Shareholder-Value-Apologeten. Zwar sind nur ein Prozent aller Betriebe in der Industrie und in der Gesamtwirtschaft sogar nur 0,2 Prozent aller Unternehmen Großunternehmen. Aber in diesen Großunternehmen werden gut 60 Prozent des gesamten Produktionswertes geschaffen. Wenn in einer immer größeren Zahl dieser Großunternehmen extreme Renditeansprüche und investitionsfeindliche Managementmethoden Einzug halten, hat das gravierende Folgen für die gesamte Wirtschaft. Und es macht jenen, die andere Prioritäten setzen, das Leben schwer.
Denn die Global Player führen nicht allein vor, wie man seine Kreativität renditesteigernd dafür verausgaben kann, nach überschüssigen Kosten zu suchen, statt neue Ideen zu entwickeln. Sie geben diesen Druck auch an ihre Zulieferer weiter. In einer empirischen Studie der Böckler-Stiftung über »Innovationsfähigkeit im globalen Hyperwettbewerb« 77 wird detailliert aufgezeigt, wie beispielsweise die Automobilkonzerne ihre Zulieferer unter zunehmenden Preisdruck setzen und Innovationsleistungen immer seltener bezahlen. Auch Lohndumping und Produktionsverlagerungen an Billiglohnstandorte werden ausdrücklich verlangt bzw. schlicht eingepreist. Die Studie kommt zu dem Schluss: »Die Kombination dieser Maßnahmen ist eine der großen Innovationsbremsen für Automobilzulieferer. Dadurch dauert esfür Zulieferer nicht nur länger, mit Innovationen Geld zu verdienen. Viele Innovationen werden aus diesem Grunde erst gar nicht weiter verfolgt.« 78 Die gesamte Wirtschaft wird so weniger kreativ, weniger ideenreich und weniger produktiv.
Renditehungrige Familienclans
Zudem setzen die vom Shareholder-Value-Wahn ausgezehrten Welt-AGs eine Art Rendite-Benchmark, entscheiden also mit darüber, welcher Rücklauf auf das eingesetzte Kapital für normal gehalten wird. Diese Zielrendite steigt seit Jahren, nicht nur in den börsengelisteten Global Playern, sondern auch in den großen Familienkonzernen. Hier orientiert sich ein Unternehmen am anderen, immerhin kann man sein Geld prinzipiell immer auch woanders anlegen.
Seit Auftauchen der Private-Equity-Heuschrecken besteht diese Option für größere Familienunternehmen sogar ganz real, und nicht wenige Ex-Eigentümer und Firmenerben haben sie genutzt. Übernahmen im Gesamtwert von 1,5 Billionen Dollar weltweit haben die Heuschrecken zwischen 2003 und 2008 gestemmt. In Unternehmen, die diese aggressiven Finanzvehikel in ihren Krallen halten, sind kreditfinanzierte Ausschüttungen die Norm und fester Bestandteil des Geschäftsmodells. Ebenso das Trimmen auf Maximalrendite, das Zerschlagen, Filetieren, Schließen und Entlassen, so lange, bis der ausgehungerte Unternehmensrest rentabel weiterverkauft werden kann. Während der akuten Finanzkrise hatten auch die Heuschrecken Probleme, Kredit zu bekommen. Längst aber fressen sie weiter und tragen so dazu bei, dass wirtschaftliche Substanz zerstört, wertvolle Innovationsfähigkeit vernichtet und Know-how und Professionalität in alle Winde verstreut werden.
Volkswirtschaftlich desaströse Unternehmensführung findet also keineswegs nur in den börsengelisteten Global Playern statt. Selbst eine Heuschrecke im Nacken ist nicht nötig. Die Shareholder-Value-Doktrin entspricht zwar in besonderer Weise den Interessen der
Weitere Kostenlose Bücher