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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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bemüht, solchen Erfahrungen aus dem Wege zu gehen, um nicht zu sagen, sich davor zu drücken.
     
    Ostendarps Zimmer enthielt die Standardeinrichtung des Altenheims: Ein Pflegebett, einen Schrank, eine kleine Sitzgruppe mit drei Stühlen am Fenster, das war alles.
    »Nicht sehr individuell. Meine Möbel musste ich abgeben. Aber immerhin bin ich allein auf dem Zimmer, was nicht ganz umsonst ist, aber erhebliche Vorteile hat.« Ostendarp war Julias Blick gefolgt. Er stellte umständlich seinen Wagen ab und wies auf einen Stuhl.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Ja, sicher. Freitags Leiche, sie sah … Die Bilder kommen immer wieder.« Julia ließ sich auf den Stuhl fallen, spürte Kälte im Gesicht.
    »Ihre erste?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Aber meine schrecklichste.«
    »Ich hatte auch ein paar schlimme Fälle, aber sie haben mir keine Alpträume bereitet. Einen Schluck Wasser? Sie sehen furchtbar aus.«
    Julia blickte in sein besorgtes Gesicht. »Danke, nein. Geht schon.« Sie atmete ein paar Mal tief durch und schwieg. Plötzlich erinnerte sie sich an einen Fall, bei dem sie den Anblick der Leiche erfolgreich umgehen konnte, deren Fotos ihr aber bis heute zusetzten. »Vielleicht bin ich einfach nicht gemacht für den Beruf.«
    »Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, etwas anderes zu machen?«
    »Ich habe nichts anderes gelernt.« Und traue mir auch nicht zu, es noch zu tun, setzte sie mehr für sich hinzu.
    »Sie war Medizinerin«, begann Julia, weil sie das Foto, das Bild, das sie im Kopf hatte, nicht losließ, und sie plötzlich das Bedürfnis verspürte, dem alten Kommissar davon zu erzählen. »Da sollte man doch glauben …« Das Bild in ihrem Kopf zeigte eine Brutalität, die sie niemandem und einer Ärztin schon gar nicht zugetraut hätte. »Jedenfalls war es einer meiner ersten Fälle, und ich habe gekniffen. Aber es hat nichts genützt. Später flatterten die Fotos auf meinen Schreibtisch.«
    Ostendarp stellte seine Füße auf ein Bänkchen und verschränkte die Arme vor der Brust. Als er sie aufmerksam anschaute, begann Julia zu erzählen.
    »Es war im Spätherbst …«
     
    Im Vernehmungsraum hatte fast dieselbe Temperatur geherrscht wie draußen. Ausgerechnet bei Wintereinbruch war in der gesamten Dienststelle die Heizung ausgefallen. Julia zog den Mantel enger um den Körper. Die Frau vor dem Schreibtisch sah aus wie das Hausmuttchen von nebenan, grau melierte Locken über dem Rollkragen eines Pullovers, der ihren kleinen, fülligen Körper verhüllte.
    »Frau Dr. Helena Weiss.«
    »Und Sie sind …?« Braune Knopfaugen blitzten hinter Brillengläsern auf.
    »Julia Morgenstern, Ermittlungsleiterin in der Mordsache um Ihren Mann. Wie wär’s, wenn wir es kurz machen und Sie ein Geständnis ablegen?«
    »Was glauben Sie, wie das wäre?« Sie lächelte gutmütig.
    »Es wäre klug von Ihnen in Anbetracht der Beweislage.« Julia beugte sich über den Schreibtisch. »Sie sind doch eine kluge Frau?«
    »Und Sie, sind Sie eine? Oder sind Sie eine Spielerin?«
    »Und wie wäre es, wenn Sie nicht jede Frage mit einer Gegenfrage beantworten würden?«
    »Hätten Sie dann Freude an unserem Gespräch?«
    Julia holte tief Luft. Eigentlich brauchte sie schon jetzt einen Kaffee, am besten einen mit Kognak drin. »Frau Dr. Weiss. In Ihrer Garage ist der Leichnam Ihres Ehemannes gefunden worden. Daneben eine Anzahl chirurgischer Instrumente. Sie sind doch Chirurgin?«
    »Wenn Sie Neurochirurginnen zu den Chirurgen zählen?«
    Lange würde Julia das nicht aushalten. Sie würde sich ablösen lassen, sobald ihre Kollegen von der Hausdurchsuchung zurück waren.
    »Was glauben Sie, wie er da hingekommen ist?«
    »Wer?«
    »Ihr Mann!«
    Dr. Weiss knetete ihre Hände, auch ihr war kalt. »Er ist gegangen.«
    »Wohin?«
    »In die Garage.«
    Die Garage war hell und sauber gewesen, nur der zugedeckte Leichnam verschandelte den Eindruck von Ordnung und Sorgsamkeit, erinnerte sich Julia. Nachdem die Beweise gesichert waren, wollte niemand mehr sehen, was mit ihm geschehen war, und Julia am allerwenigsten. Die Erhebung der Kunststoffplane wirkte klein, zu klein für einen erwachsenen Mann darunter. Julia hatte nur von der Tür aus einen Blick auf die Szenerie geworfen. Sie war dankbar, dass sie nicht als Erste am Einsatzort gewesen war. Um den Anblick der Tatortfotos würde sie allerdings nicht herumkommen.
    Julia verbannte den Gedanken.
    »Sie werden des Mordes an Ihrem Mann beschuldigt, Frau Doktor. Möchten Sie nicht

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