Freitags Tod
hielt sie auf dem Scheitel fest.
Die Hitze quälte alle. Conrad wünschte sich ein kühles Bier auf seinem Balkon.
»Was ist ein Emo-Look, zur Hölle?«, fragte Sven.
»Nein, mit der Hölle hat es nichts zu tun. Es ist eine Musikrichtung, eine Weltanschauung, eine Kleiderordnung, wie man will. Vielleicht passt Sophie Freitag ganz gut in die Emo-Szene.«
»Du kennst dich auch mit jedem Teenie-Scheiß aus, was Julia? Was ist denn nun Emo?«
»Kannst du googeln«, sagte Julia eingeschnappt.
»Hey!« Conrad sammelte die Fotos wieder ein, und Julia entspannte sich etwas. »Sophie Freitag wirkt ziemlich schräg, finde ich. Sie sagt ganz offen, dass sie den Vater hasst, noch bevor er unter der Erde und sein Mörder im Knast ist. Sie scheint nicht auf den Gedanken zu kommen, dass sie sich verdächtig macht.«
»Jedenfalls stimmt bei denen allen irgendetwas nicht.« Auch wenn Sven nicht gerade der Experte für Zwischenmenschliches war, konnte ihm das nicht verborgen geblieben sein.
Julia stand auf. »Also ich hau jetzt ab. Ihr könnt ja machen, was ihr wollt.« Damit stopfte sie ihre Unterlagen in die Tasche und ging zur Tür. Dort blieb sie stehen, als Conrad sich nicht rührte.
»Ich nehme mir Sophie noch einmal vor und frage sie nach diesem ominösen Tom«, sagte er.
»Wer ist nun wieder Tom?«, wollte Sven wissen.
»Der uneheliche Sohn von Freitag. Er soll sich irgendwo im Osten rumtreiben.«
»Ich denke, das ist vertane Zeit. Wir sollten uns auf Eck und die realen Indizien konzentrieren. Und zwar schnell.« Die Ungeduld war Julia anzumerken.
»Was denn für Indizien? Die paar Zettel von deinem Freund Ostendarp?«
»Nicht zu vergessen, was Sven aus seiner Kiste geholt hat. Und er ist nicht mein Freund, sondern ein umsichtiger, erfahrener …«
»… pensionierter«, warf Conrad ein.
»… Polizist.«
»Ehemaliger Polizist. Die Kontobewegungen sind keine Indizien. Die haben wir offiziell gar nicht. Schon vergessen?«
»Ich weiß nicht, was du gegen ihn hast, Conrad.« Eine Falte bildete sich auf Julias glatter Stirn.
»Ich habe nichts gegen Ostendarp. Ich denke nur, dass wir mit Eck falsch liegen. Welchen Grund hätte er für einen solchen Hass?«
»Was hat dieser Tom, von fraglicher Existenz, für einen Grund?«
Das Telefon klingelte, aber niemand rührte sich. Eine Minute später trat die junge, neue Beamtin ein, deren Namen Conrad immer wieder vergaß, und sagte: »Der rechtsmedizinische Befund kommt nicht vor Montag. Münster hat gerade angerufen.« Sie blickte in die stumme Runde, lächelte unsicher und verschwand wieder. Sven schälte sich aus seinem Stuhl.
»Ich schaue mir mal die Eck-Daten an.« Er grinste über seinen Wortwitz. »Vielleicht findet sich ja eine nicht unerhebliche Summe auf seinem Konto wieder.«
»Du kannst dich nicht von hieraus in fremde Konten einhacken. Wir kommen in Teufels Küche.«
»Ich kann es auch von zu Hause aus tun, wenn du willst.«
»Ich will das überhaupt nicht, verstehst du? Das ist illegal.«
Sven hob die Schultern, machte aber keinen besonders reuigen Eindruck.
»Okay. Henry Freitag will ich noch einmal hier haben. Mal sehen, ob der was über seine Verwandtschaft sagt. Kannst du dich dadrum kümmern, Sven?« Die Uhr zeigte zwanzig nach fünf. Es wurde höchste Zeit, dass er mit Sammy nach Hause kam. Julia winkte ihnen zu und ging den Gang hinunter. Je näher sie dem Ausgang kam, umso schneller wurden ihre Schritte.
»Sammy? Zeit nach Hause zu gehen.«
Im Licht des Monitors wirkte Sammys Gesicht fahl. Der Junge reagierte nicht, bewegte nur die Maus und den rechten Zeigefinger. Wind kam auf und klapperte mit den Fensterflügeln. Die Platanen vor dem Fenster und auch die Regenwolken verdunkelten den Raum.
»Sammy, hallo, Abendessen!«
»Gleich.«
»Komm schon.«
»Ich habe noch zwei Leben.«
Conrad war manchmal schon das eine zu viel.
»Los jetzt, sonst werden wir nass.«
Das Kind ließ sich nicht stören. Sven packte seine Ausdrucke in eine Mappe und klemmte sie unter den Arm.
»Du kannst morgen weiterspielen. Ich habe noch ein anderes Spiel«, sagte er.
Na toll, dachte Conrad. Aber er konnte schlecht etwas dagegen einwenden. Trotz Sammys Protest fuhr Sven den Rechner herunter und verabschiedete sich.
14
Das Wochenende war mit dem Schreiben von Berichten, Telefonaten und Besprechungen draufgegangen. Conrad hatte Sammy für ein paar Stunden bei seiner Großmutter parken können. Die meiste Zeit aber hatte sich der Junge im Büro
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