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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Ordnung mit Ihnen?«
    Ich sagte irgendetwas. Eine Hand legte sich auf meine Stirn.
    »Der Rettungswagen ist unterwegs. Es wird alles gut.«
    »Nein«, hörte ich mich sagen. Nichts würde gut werden können, nie mehr. Dabei hatte ich das mein Leben lang geglaubt. Ich hatte geglaubt, dass alles gut werden würde, wenn ich mich nur genug anstrengte, nur genug tat, nur gut genug war. Ich hatte mich geirrt.
    Verschwommen nahm ich Gestalten um den Wagen herum wahr. Sie riefen sich etwas zu, hantierten und schaukelten am Auto. Bei jeder Bewegung durchzuckte mich der Schmerz. Hände versuchten, mich aus dem Wagen zu ziehen. Ich schrie. Laut und lange. Jemand schob eine Kanüle in meinen Handrücken, und der Schmerz hörte auf, mir wurde ganz leicht. So sieht es also aus, das Ende, dachte ich. Dann dachte ich nichts mehr.

19
    »Was machst du da?« Annelie stemmte die Hände in die Hüften, ließ ihre Augen blitzen.
    Tom sah sich um und verschüttete etwas von dem Wasser aus der Gießkanne, mit dem er seine Lieblingspflanze goss. »Das siehst du doch.«
    Zwei LKW ratterten vorbei. Annelie hatte die Schaufensterscheibe geputzt, Regale aufgeräumt und das welke Gemüse aussortiert. Auf dem Plastiktischchen, an dem sie sonst mit Frieder Wein trank, stand ein Strauß Goldlack.
    »Und wieso bist du hier?«
    »Wo sollte ich denn sonst sein?«
    Annelie band sich ihre Schürze um den Leib und knallte Schalen mit Wurst und Fleisch in die Kühltheke. »Ich verstehe dich nicht, Tom.«
    »Was gibt es da nicht zu verstehen? Claire wollte weg, jetzt ist sie weg. Außerdem geht dich das nichts an.«
    »Wenn du dir nicht immer die Birne zuknallen würdest, wäre sie nicht weg. Vielleicht wäre auch Hannah nicht gegangen.«
    »Hör auf mit deinen Vorwürfen oder sag von mir aus Frieder, er soll den Wein sein lassen. Wo ist er überhaupt?« Tom stellte die Gießkanne ab. Er vermied es, Annelie anzusehen, aber sie bemerkte es nicht, weil sie ihm den Rücken zugedreht hatte und Käse aufschnitt.
    »Er fühlt sich nicht besonders, hängt in seinem Sessel und hört sich alte Tonbänder an. Ist mir sowieso im Weg hier.«
    »Ist er krank?«
    »Nein. Er war noch nie krank, glaube ich. Er ist nur melancholisch. Das ist er immer um diese Jahreszeit.«
    Tom wusste das, aber er fand es höchst seltsam, wie jemand im Frühjahr so deprimiert sein konnte. Die beiden Alten hatten nie ein Wort darüber verloren.
    »Was ist jetzt?«
    »Was soll sein? Morgen kommen die Berliner und holen die Pflanzen ab. Bis dahin bringe ich noch ein paar Sachen in Ordnung.«
    »Wenn du Sachen in Ordnung bringen willst, fahr ihr nach. Du wirst sie schon finden. So schwierig kann das nicht sein. Sie ist ja nicht gerade in einem unauffälligen Gefährt unterwegs.«
    »Hör zu, Annelie. Das geht dich wirklich nichts an. Außerdem wüsste ich nicht, wie ich das machen sollte.«
    »Frieder hat noch den Wagen in der Garage. Den kannst du haben. Er ist seit Monaten nicht gefahren und davor hätte er es auch nicht tun sollen. Männer!« Sie verdrehte die Augen und strich sich eine Strähne hinters Ohr. Manchmal sah sie sehr viel jünger aus, als sie war, dachte Tom.
    »Es ist schlimmer geworden, oder?«
    »Er sieht fast nichts mehr. Wenn er sich nicht operieren lässt, wird er bald blind sein.«
    Tom war nicht klar gewesen, wie es um Frieder stand, war zu beschäftigt gewesen mit … allem.
    »Es hat nichts mit dir zu tun, Tom. Es ist seine Sache. Und meine, zunehmend.« Sie seufzte. »Der Einzige, der etwas daran ändern kann, ist Frieder. Also nimm den Wagen und fahr endlich.«
    »Die Pflanzen …«
    »Zeig mir, welche ich abgeben soll, und fahr.« Annelie hielt ihm den Schlüssel und die Fahrzeugpapiere hin. Sie musste beides eingesteckt haben, als sie Claire wegfahren sehen hatte, allein. Tom zögerte, dann sagte er »danke« und nahm sie kurz in den Arm.
    »Noch was.« Es war ihm unangenehm, aber was sollte er tun?
    »Sophie kommt her. Ich weiß nicht, wann sie da sein wird. Kannst du es ihr ein bisschen bequem machen?« Annelie war Sophie einmal begegnet, und seine Schwester hatte sich in ihrer Gegenwart wohlgefühlt.
    Annelie lächelte. »Das ist meine kleinste Übung. Hau schon ab«, sagte sie und wandte sich wieder dem Käse zu.
     
    Der Weg führte zwischen den Feldern hindurch über die kleine Anhöhe. In einer Senke behüteten zwei mächtige Kastanien den Hof, der von einem schmiedeeisernen Zaun umgeben war, Clematis rankte an den Mauern.
    Die Motorhaube des Wagens ragte

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