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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Im Takt seiner Worte knallte der kräftige Arm ihren Kopf auf die Fotos, die zerknittert und tränenbefleckt auf den Kissen lagen.
    Sophie hörte den keuchenden Atem ihres Vaters. Sie konnte nicht sehen, nicht antworten. Aber sie wusste, dass ihr keine Zeit blieb, deshalb rappelte sie sich auf und versuchte blinzelnd die Bilder zu erkennen. Die Klassenparty. Was war nur damit?
    »Ich will wissen, was das ist.« Wieder das bedrohliche Zischen.
    Durch das Gewirr aus Haaren erkannte sie Alex und Lisa und all die anderen. Ihr Vater streckte die Hand aus. Sophies Oberkörper zuckte zurück. Aber er griff nur nach einem der Fotos und hielt es hoch. Alex und sie. Sie hatten die Köpfe aneinandergelehnt und grinsten in die Kamera. Verständnislos hob Sophie den Blick.
    »Wer ist der Kerl, mit dem du dich rumtreibst?« Seine schmalen Lippen verzogen sich angeekelt.
    »Alex.« Die Stimme gehorchte ihr nicht. Sie verstand nicht. Es war Alex aus ihrer Klasse, mit dem sie geblödelt hatte.
    »Und was hat dieser Alex …«, er spuckte ihr den Namen vor die Füße, »… mit dir gemacht?«
    »Nichts.« Das genügte nicht. Sicher nicht.
    »Nichts. Ja?« Eine Amsel sang draußen. »Nichts also?«
    Sophie starrte auf ein Stück hellgraues Hemd über dem Hosenbund, eingerahmt von den Rändern des Sakkos. Das Hemd kam näher, doch sie konnte sich nicht rühren.
    »Dann werde ich dir zeigen, was nichts ist.« Plötzlich wurde Sophie am T-Shirt vom Bett gerissen. Ein rosa Knöpfchen sprang von der Knopfleiste ab.
    »Nein!« Sie wollte nicht in den Keller. Nie mehr wollte sie dahin und Stunden um Stunden zwischen den kalten Mauern hocken, hungrig und einsam. Einsam. Das war das Schlimmste. Viel schlimmer als das jetzt. Schlimmer als alles. Sie stemmte sich mit aller Kraft gegen den Vater. Ihre Füße rutschen über das Parkett. Sie wurde fortgerissen, wie eine Kirschblüte im Gewittersturm.
    »Nein, nein, nein«, schrie sie, stolperte und hörte, wie Stoff zerriss. Ihre linke Hand erfasste den Türrahmen und krallte sich fest.
    »Lass los, du Luder. Du Hure. Ich werde dir zeigen …«
    Plötzlich gewann sie Halt. Ich bin frei, hämmerte es in ihrem Kopf, er lässt mich los. Bevor sie sich besinnen konnte, krachte die Tür gegen die Füllung, und ihre Hand jagte einen gleißenden Schmerz durch ihren Körper. Sie hörte, wie ein heiserer Schrei im Haus widerhallte. Dann senkte sich Dunkelheit herab.
    … und Mama hatte Erdbeerkuchen mitgebracht. Wegen der Eins in Deutsch. Sie hat ihn in kleine Stücke zerteilt, damit Sophie ihn mit rechts essen konnte. Ein paar Wochen konnte sie nicht mitschreiben in der Schule, weil sie doch Linkshänderin war.
     
    Sophie duscht ausgiebig. Mit einer harten Bürste schrubbt sie erst die Finger, dann die Zehen, dann die Unterschenkel, die Oberschenkel, schrubbt ihren ganzen Körper. Schließlich lässt sie kühles Wasser über die brennende Haut laufen und legt die Hände auf ihren runden Bauch. Sie hat zugenommen, fünfzehn, zwanzig Kilo bestimmt. Aber was macht das schon? Wenn sie ein Kind hätte … Im Schrank findet sie frische T-Shirts, legt sie in ihren Rucksack, zwei Paar Jeans, Unterwäsche, Strümpfe dazu. Dann wählt sie Toms Nummer.
    »Ich komme«, sagt sie, als Tom sich meldet.
    »Was ist los?«
    »Es ist etwas passiert.«
    »Hör mal. Es geht gerade nicht. Ich hab keine Zeit.« Seine Stimme klingt abwesend. Er hat keine Zeit? Er kann nicht keine Zeit haben.
    »Ich komme trotzdem. Alex gibt mir seinen Wagen. Ich muss mit dir reden, Tom. Ich muss mit irgendjemandem reden. Ich kann nicht mehr.«
    Das Telefon schweigt eine ganze Weile.
    »Willst du mir nicht sagen, was passiert ist?«
    »Vater ist tot.«
    »Oh«, macht Tom.
    »Willst du wissen, wie er gestorben ist? Dein Vater?«
    »Ja, sicher. Aber nicht am Telefon.«

Claire
    Eine Fliege summte lebensmüde gegen das Fenster. Die Luft roch schal. Tom hatte mich nicht kommen hören, hockte auf dem Sofa und starrte vor sich hin. Er sah mich nicht.
    »Tom?« Was suchte ich hier? Das hatte ich mich gefragt, während ich getankt, die Göttin gewendet hatte und die dreißig Kilometer zurückgefahren war. Es dauerte eine Weile, bis er den Kopf hob.
    »Was willst du, Claire?«
    Keine Ahnung, dachte ich und hielt den Mund.
    »Wolltest du nicht weiter?« Es lagen Müdigkeit und Bitterkeit in seiner Stimme. Er erhob sich und stakste an mir vorbei, ließ Wasser laufen, dann stand er in der Tür. Seine Haarspitzen waren nass, die Augen hatten Ringe. Er blickte

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