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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Belle
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nicht. Aber ich glaube, ich habe gerade ein Klopfen an der Tür gehört.“ Ralf zog sich schnell die Hose wieder hoch und ging zur Tür. „Ralfi ! Was machst du denn hier?“, begrüßte ihn eine Männerstimme. „Mensch, Micha! Das ist aber eine Freude, dich zu sehen, du altes Haus!“, antwortete Ralf. Der Bär in Männerform war gekommen um uns zu retten. Über und über mit Schnee bedeckt stand er vor der Tür; schwer schnaufend von der anstrengenden Arbeit uns freizulegen. „Hab' ich es doch geahnt, dass du hier bist! Immer bei der Arbeit! Und ich hab schon gedacht, du würdest dich vor unserer Verabredung drücken!“. Dann, als er mich wahrnahm, nickte er zu mir herüber und machte eine übertrieben theatralische Verbeugung: „Schöne Frau...“
    „ Ich wusste doch, es steckt eine Frau dahinter, wenn du verschüttet gehst!“, er grinste Ralf süffisant an: „Du alter Herzensbrecher...“. Doch Ralf unterbrach ihn, es war ihm offenbar unangenehm als Frauenheld dargestellt zu werden. Um ihn aus dieser Lage zu befreien, mischte ich mich ein: „Ihr wart verabredet?“. „Yes, Madam! Wir wollten heute die Stadt unsicher machen. Ist ja schließlich frei heute. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, meinen Kumpel erst mal ausbuddeln zu müssen. Sie würden uns nicht zufälligerweise die Ehre ihrer Anwesenheit erweisen?“. Schneider war überschwänglich. Ich lachte, seine Art war unheimlich sympathisch und ich mochte ihn sofort gut leiden. Das war ein in jeder Hinsicht anderes Bild von ihm als das, was er gezeigt hatte, solange er mich bewacht hatte. Immer wieder zeigte es sich, dass unter den Uniformen komplett andere Menschen steckten. „Gerne!“, freute ich mich, konnte ich doch auch mal einen Freund von Ralf kennen lernen. Micha hielt mir seinen Unterarm hin. „Darf ich die Dame dann auch mal retten, Ralfi? Du kannst hier nicht immer alleine den Helden spielen! Das wirft ein schlechtes Bild auf mich!“. Er grinste frech und ich ließ mich von ihm über die aufgehäuften Schneeberge ziehen. Als ich mich umdrehte sah ich, dass von dem Container nichts zu sehen war außer dem Loch, aus dem mich Micha gerade herausgezogen hatte. Nichts hatte darauf hin gedeutet, dass Micha genau da hatte graben müssen. „Wie hast du uns eigentlich gefunden?“. Ich wunderte mich. „Och, wir Soldaten haben da so unsere Tricks.“ Er zwinkerte mir zu, „Abhörgeräte sind echt cool, weißt du? Aber das mit dem Schwanzapplaus, das hätte ich lieber nicht gehört!“. Ich lief tiefrot an.
    An diesem Tag war ein Dresscode ausgegeben worden. Das hieß, es war Splitterschutzweste, Helm und Waffe vorgeschrieben, sobald das Camp verlassen wurde. Ich fühlte mich sehr prominent, rechts und links von schwer bewaffneten Jungs flankiert zu werden, auch wenn ich mir mit meinem Helm etwas albern vorkam. Fast fühlte ich mich ein bisschen wie Whitney Houston, allerdings hatte ich im Gegensatz zu ihr nicht vor, Liedchen zu trällern. Bei meinem Gesangstalent würden meine Bodyguards schnell das Weite suchen wollen. Das wollte ich nicht riskieren.
    Wir hatten es uns in einer kleinen Kneipe gemütlich gemacht und ich ließ mir von Micha und Ralf lustige Geschichten aus ihrer Wehrdienstzeit erzählen. Die beiden hatten sich während ihrer Grundausbildung kennen gelernt und waren seitdem unzertrennlich. Es gab viel zu erzählen und zu lachen. Wir tranken holländisches Bier und die Stimmung war entspannt und gesellig. Obwohl die beiden ihre Uniform an hatten und geladene Pistolen in den Halftern waren, so behielten sie doch den privaten Charakter bei. Scheinbar musste man jeden einzelnen Soldaten erst mal persönlich kennen lernen, um hinter die Fassade sehen zu können. Immer mehr wurde mir bewusst, wie sehr die Uniform einer Muschelschale entsprach, hinter der sich ganz normale Männer versteckten.
    Ralf war zur Toilette gegangen und Micha nahm die Gelegenheit beim Schopf, um mit mir unter vier Augen reden zu können: „Hör mal, Ralfi ist mein allerbestester Freund und ich bringe jeden um, der ihm ein Härchen krümmen könnte, klar? Der Mann ist empfindlich, musst du wissen!“. Ich wusste es, hatte ich doch in der letzten Nacht genau das gespürt. „Nich' so wie ich, mich schmeißt so leicht nichts um.“ Dabei klopfte er sich auf die breite Brust und ich glaubte ihm sofort. Ihn würde nichts aus der Ruhe bringen. Massig und stabil wie ein Baumstamm saß er vor mir. Ich versprach, gut auf Ralf aufzupassen. „Also,“ fügte

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