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Fremd fischen

Fremd fischen

Titel: Fremd fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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dass man eine Hochzeit auch noch absagen kann, wenn die Einladungen schon draußen sind. Das ist nur ein weiteres Hindernis. Schön, es macht die Sache heikler, aber es ist trotzdem nur eine Formalität, eine Äußerlichkeit. Trotzdem ist mir schwindlig und übel, als ich den Umschlag aufreiße und einen weiteren Umschlag finde. Darauf stehen mein Name und die zwei demütigenden Wörter«und Begleitung». Ich werfe die Antwortkarte mit dem dazu passenden Umschlag zur Seite, und ein Stück silbernes Seidenpapier schwebt zu Boden und verschwindet unter meiner Couch. Ich habe nicht die Energie, es wieder aufzuheben. Stattdessen setze ich mich hin, atme tief durch und nehme all meinen Mut zusammen, um die geprägte Schrift zu lesen, als könne die ganze Sache durch die Formulierung besser oder schlimmer gemacht werden:

    Unser Glück wird vollkommener sein,
wenn Sie bei der Vermählung unserer Tochter

Darcy Jane
mit
Mr. Dexter Thaler
anwesend sind.

    Ich kämpfe die Tränen nieder und atme langsam aus, und dann lese ich unten weiter:

    Wir laden Sie ein,
mit uns den Gottesdienst zu feiern
und Zeugen des Ehegelübdes zu sein.
Nach der Trauzeremonie sind Sie zu einem Empfang
ins Carlyle geladen.
Sollten Sie verhindert sein, bitten wir Sie,
in Gedanken und Gebeten bei uns zu weilen.
Dr. und Mrs. Hugo Rhone.
Um Antwort wird gebeten.

    Jawohl, die Formulierung kann tatsächlich alles noch schlimmer machen. Ich lege die Einladung auf meinen Couchtisch und starre sie an. Ich sehe Mrs. Rhone vor mir, wie sie die Umschläge zur Post in die Jefferson Street bringt. Sie klopft mit langen roten Fingernägeln voll mütterlicher Eitelkeit auf den Stapel, und ich höre, wie ihre näselnde Stimme sagt:«Unser Glück wird vollkommener sein.»Und:«Wir bitten Sie, in Gedanken und Gebeten bei uns zu weilen.»
    Ein Gebet kann sie von mir aus haben: Ich bete darum, dass diese Hochzeit niemals stattfindet. Ich bete darum, dass noch ein Brief in meinem Kasten landet:

    Dr. und Mrs. Hugo Rhone
geben bekannt, dass die Vermählung
ihrer Tochter Darcy

mit Mr. Dexter Thaler
nicht stattfindet.

    Das ist eine Formulierung, die mir gefällt. Knapp, kurz und bündig. Findet nicht statt. Die Rhones werden gezwungen sein, ihren üblichen blumigen Stil abzulegen. Ich meine, sie können ja nicht schreiben:«Zu unserem Bedauern setzen wir Sie davon in Kenntnis, dass der Bräutigam eine andere liebt.»Oder:«In tiefer Trauer geben wir bekannt, dass Dexter unserer lieben Tochter das Herz gebrochen hat.»Nein, dieser Brief wird sehr sachlich daherkommen: billiges Papier, klobige Schrift, Adressenetiketten aus dem Computer. Mrs. Rhone wird kein Geld für Crane’s Bürobedarf und Kalligraphie ausgeben wollen, nachdem sie schon so viel zum Fenster rausgeworfen hat. Ich sehe Mrs. Rhone wieder auf dem Postamt: Kein bisschen triumphierend sagt sie dem Mann am Schalter, nein, diesmal brauche sie keine Herzchenbriefmarken. Dreihundert einfache werden genügen.

    Ich bin schon im Bett, als Dex anruft und fragt, ob er vorbeikommen kann.
    An dem Tag, an dem ich die Einladung zu seiner Hochzeit bekommen habe, sage ich:«Ja, komm vorbei. »Ich schäme mich, weil ich so schwach bin, aber dann denke ich an all die Menschen auf der Welt, die im Namen der Liebe noch erbärmlichere Dinge getan haben. Und letzten Endes komme ich zu der Erkenntnis: Ja, ich liebe Dex. Obwohl er der letzte Mensch auf der Welt ist, für den ich solche Gefühle empfinden sollte, liebe ich ihn wirklich. Und noch habe ich ihn nicht ganz aufgegeben.
    Während ich auf ihn warte, überlege ich, ob ich die
Einladung wegräumen oder ob ich sie unübersehbar auf meinem Couchtisch liegen lassen soll. Ich beschließe, sie zwischen die Seiten meines In-Style -Heftes zu schieben. Ein paar Minuten später öffne ich in meinem weißen Baumwollnachthemd die Tür.
    « Warst du im Bett?», fragt er.
    « M-hm.»
    « Dann bring ich dich wieder hin.»
    Wir gehen ins Bett. Er zieht die Decke über uns.
    « Du fühlst dich so gut an», sagt er. Er streichelt meine Hüfte und schiebt die Hand unter mein Nachthemd. Ich will ihn aufhalten, aber dann lasse ich ihn gewähren. Unsere Blicke treffen sich, bevor er mich langsam küsst. Und sosehr er mich auch enttäuscht hat, ich kann mir nicht vorstellen, dass ich diese Flut aufhalten kann. Ich bleibe bewegungslos, als er mich liebt. Er redet die ganze Zeit, was er normalerweise nicht tut. Ich kann nicht genau verstehen, was er sagt, aber ich höre die

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