Fremd flirten Roman
selten allein, und wenn auf etwas Verlass ist, dann auf das Unglück. In der Nacht hatte ich kaum ein Auge zugemacht, zuerst, weil ich im Innersten gegen jede Vernunft auf eine Antwort von Edward hoffte, und dann, weil ich darüber nachdachte, was ich mit Konrad, der sich in einem Bed and Breakfast um die Ecke einquartiert hatte, am nächsten Morgen besprechen sollte. Anne hingegen war, todmüde von der in jeder Hinsicht anstrengenden Veranstaltung, sofort tief und fest eingeschlafen und sah beim Frühstück dementsprechend frisch und erholt aus – im Gegensatz zu mir.
Aber nicht lange. Ich hatte mir gerade eine Riesenportion Milchkaffee eingeflößt, saß am liebevoll gedeckten Tisch und hoffte, dass das Koffein endlich zu wirken begann und mich wach machte. Die Kinder mussten wir erst in einer Viertelstunde wecken; Axel war wie gewöhnlich um diese Zeit bereits aus dem Haus. Diese Stunde gehörte Anne und mir, und wir nutzten sie jeden Morgen ausgiebig, um Klatsch und Tratsch auszutauschen, die Tagesplanung durchzugehen oder Dinge zu besprechen, die wir vor den Kindern nicht diskutieren wollten.
Bisher hatte sich alles um die Ereignisse des Vortags gedreht, um Edward und Konrad, der einfach mir nichts, dir nichts aufgetaucht war, und darum, wie Zicky und Margit es jedes Mal schafften, die Latte für Boshaftigkeit ein bisschen höher zu hängen.
»Wenn du mich fragst, wirbt Margit um die Einstellung als Zofe auf Lebenszeit, so wie sie Zicky umgarnt. Oder sie hofft, ihre Wunderkinder mit Zickys Nichten und Neffen zu verkuppeln. Lady Helena und Lord Ludwig … Das klingt doch besser als der deutsche Nachname Schmidt!«, frotzelte Anne, während sie zur Tür ging, um Zeitung und Morgenpost zu holen.
»Du hast recht! Das ist ihr Masterplan. Wir haben ihr Motiv, Sherlock: Sie opfert sich nur für ihre Kinder, die es einmal besser haben sollen. Eigentlich ist Margit ein grundgütiger Mensch, aber was sein muss, muss eben sein!«, stimmte ich feixend zu und wartete auf Annes Antwort. Es gab keinen besseren Weg für mich, Dinge zu verarbeiten und Distanz zu bekommen, als mir mit Anne einen humorigen Schlagabtausch zu liefern und immer absurdere Ideen in den Ring zu werfen, um alles ins Lächerliche zu ziehen und mich selbst nicht mehr so ernst zu nehmen.
Anne antwortete nicht, stattdessen kam sie langsam, Entsetzten ins Gesicht geschrieben, in die Küche zurück und hielt mir einen Brief hin, den sie gerade eben gelesen haben musste.
In Zeitlupe ließ sie sich auf ihren Stammplatz fallen.
»Was ist das?«, wollte ich wissen, aber Anne reagierte nicht. Also las ich selbst, und prompt verschlug es auch mir die Sprache.
Liebe Anne, stand da geschrieben. Wir müssen dringend reden. Es geht um unsere Männer und unser aller Zukunft. Da wir Rücksicht auf deinen Zustand nehmen, kommen wir heute bei dir gegen elf Uhr vorbei, bevor wir die Kinder von der Schule abholen. Falls es dir heute Morgen nicht passt, melde dich, dann besuchen wir dich am Nachmittag.
Unterzeichnet war der Brief von Margit und ihren beiden Untergebenen Sabine und Ina.
Mir schwante Übles, Anne auch.
»Wenn die mir schreiben, ›es geht um unsere Männer‹, kann es nur mit der Firma zu tun haben, und bestimmt handelt es sich um die offene Stelle und um die Frage, wer die Abteilung leiten wird. Ich wüsste bloß gern, was diese Weiber damit zu tun haben oder was sie das alles interessiert?«, überlegte Anne und fächelte sich dabei mit dem Drohbrief auf handgeschöpftem Büttenpapier Luft zu.
»Machst du Witze? Die drei identifizieren sich allein über das Prestige ihrer Männer. Da braucht es kein Psychologiestudium, um zu sehen, dass sie Anhängerinnen der These sind, die da lautet: ›Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine Frau, die ihn lenkt.‹ Die denken, ihre Männer wären ohne sie hilflos und zu nichts in der Lage. Für den Club der Soziopathinnen bedeutet diese offene Stelle alles! Wenn einer ihrer Männer den Job bekommt, heißt das, eine weitere Sprosse auf der gesellschaftlichen Leiter erklommen zu haben. Die verbuchen die Beförderung dann als ihren eigenen Erfolg.«
Anne griff sich automatisch ein Stück von meinem selbst gebackenen Mandelkuchen, und während sie Stück für Stück aß, konnte ich sehen, wie es in ihr arbeitete und sie die verschiedenen Optionen im Kopf durchspielte.
»Willst du absagen? Ich kann behaupten, es ginge dir nicht gut«, bot ich an, doch Anne schüttelte energisch den Kopf.
»Quatsch! Die sollen
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