Fremd flirten Roman
mich offenbar suchten, und zischte Konrad auf Deutsch zu: »Wenn du ihr noch mal zu nahe kommst, brech ich dir die Knochen, du Idiot.«
Da sollte noch mal einer sagen, Engländer hätten im nüchternen Zustand und abseits des Fußballfeldes kein Temperament!
Konrad setzte an: »Kannst du mir endlich sagen, wer das ist und was das alles zu bedeuten hat, Stella?«
Ich schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht!«
Wie ferngesteuert ging ich an Anne und Konrad vorbei die Treppen hinunter und zwängte mich durch die ausgelassen feiernde Menge hindurch in Richtung Garten, um frische Luft zu schnappen und allein zu sein.
Auf dem Weg begegnete ich natürlich Zicky und einereuphorischen Margit, die einen ganz großen Treffer mit ihrer Veranstaltung gelandet hatte.
Zicky war bereits um diese frühe Uhrzeit jenseits von Gut und Böse und nippte an einem Drink, der nach Gin aussah, in der anderen Hand hielt sie die obligatorische Zigarette.
Sie, das Partygirl, das London am liebsten gar nicht verließ, und Edward, der grüne Aktivist, passten überhaupt nicht zusammen, was es mir noch schwerer machte. Wenn Zicky liebenswert wäre und zu Edward passen würde, könnte ich es ja einsehen, aber diese Ehe war meiner Meinung nach von vornherein zum Scheitern verurteilt.
»Da ist Edwards Stalkerin wieder!«, kicherte Zicky beschwipst und zeigte auf mich, was Margit ebenfalls losprusten ließ.
Noch nie war ich so nahe dran gewesen, die Beherrschung zu verlieren. Einen Moment überlegte ich ernsthaft, Zicky ihren Drink ins Gesicht zu kippen. Als Margit auch noch laut genug flüsterte, damit ich es ja hörte: »Frag sie doch, ob sie nicht Brautjungfer bei deiner Hochzeit sein will!«, und beide in lautes Gelächter ausbrachen, war es zu viel. Fluchtartig rannte ich hinter den Gartenpavillon, wo außer mir niemand war, und weinte mir in einem wunderschönen Blumenbeet aus Vergissmeinnicht und Maiglöckchen die Seele aus dem Leib. Es war, als wäre ein Staudamm gebrochen, und die Trauer, Verzweiflung und Demütigung der letzten Monate brachen sich auf einmal Bahn. Ich weinte so heftig, dass mein Körper zitterte und ich gar nicht mehr aufhören konnte. Ich weinte über Konrads und meine Trennung, über meine unglückliche Liebe zu Edward, über mein altes Leben und meinen Job, für den ich die Begeisterung und Leidenschaft verloren hatte; ich weinte aus Erschöpfung nach den letzten anstrengenden Jahren, und ich weinte, weil meine Zukunft ungewiss vor mir lag, ohne den Mann, in den ich mich unsterblich verliebt hatte.
Nach einer Ewigkeit – zumindest kam es mir so vor – beruhigte ich mich wieder. Ich fühlte mich einerseits leer, aber andererseits auch erleichtert.
Es dämmerte bereits, als ich mich wieder zu der Gesellschaft begab, und plötzlich war es mir egal, dass jeder sehen konnte, dass ich geweint hatte: Meine Wimperntusche musste furchtbar verschmiert sein. Es gab nichts, wofür ich mich schämen musste, und so ging ich, alles andere um mich herum ignorierend, geradewegs zu Anne, die mich in den Arm nahm und Axel ein Zeichen gab, dass sie mit mir das Fest verlassen würde.
Keine Ahnung, wo Konrad abgeblieben war, doch das war mir in diesem Moment auch egal.
Auf dem Weg zum Fahrservice trafen sich unvermittelt Edwards und meine Blicke. Er stand mit Zicky und einem älteren Ehepaar an einem der Stehtische und betrieb Konversation. Mein Blick war leer und verriet nach dem vielen Weinen keine Empfindungen mehr, Edward hingegen sah mich erschrocken an. Doch bevor er auf die Idee kam, mir hinterherzugehen, waren Anne und ich schnell in einem der wartenden Taxis verschwunden. Keinen Augenblick später piepste mein Handy mit einer SMS von ihm. Ich las sie und reichte Anne, die mich beim Lesen aufmerksam beobachtet hatte, wortlos das Handy.
»So darf es nicht enden, nicht so! Du kannst doch nicht etwas beenden, bevor es richtig angefangen hat!« , las Anne leise die Kurznachricht vor.
»Was antwortest du ihm?«
Ich wollte ihm endlich die alles entscheidende Gretchenfrage stellen, die längst überfällig war. Ich wusste zwar die Antwort darauf, aber die Frage musste nun gestellt werden, damit Edward verstand, dass es für mich keine andere Lösung gab, als den Kontakt abzubrechen.
Langsam tippte ich die Worte, die alles beenden würden, ein:
Bist du bereit, deine Verlobte für mich zu verlassen?
Als ich auf »Senden« drückte, wusste ich, dass ich keine Antwort erhalten würde, zumindest kein Ja.
Ein Unglück kommt
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