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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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denn alles erzählt? O Mann, ich hab Jo angerufen und alle anderen, wir können das alle gar nicht glauben!!! Jo meint, er will dich am Montag gleich sprechen!«
    Das war’s. Ich bin erledigt.
    »Los, erzähl mal.« Peter will alles wissen. »Das ist ja der Hammer. Das haben wir ja alle schon gelesen mit dem Club, aber dass DU , also Caro, also Caro!!!«
    Ich stammle was von »ja, wir reden dann Montag, schönes Wochenende« und lege mit zitternden Händen den Hörer auf. Dann fange ich an zu heulen. Mausi heult aus Solidarität mit.
     
    Eine Stunde später. Ich habe mich nicht umgebracht, wir sind bei der zwölften Flasche Wein und mir ist alles egal. Solln se mich doch feuern, mirdochegal.
    Iris meint, ich solle das alles nicht zu schwarz sehen. »Eine Lösung gibt es immer. Und schließlich ist es deine Privatsache, was du in deiner Freizeit machst.« Jaja, geht nicht gibt’s nicht. Ich weiß.
    Trotzdem. Ich weiß nicht, wie ich den Sonntag rumkriegen soll. Ich habe panische Angst davor, am Montag in den Sender zu gehen. Alle werden mich verachten. Ich weiß es. Ich weiß es jetzt schon.
    Pitbull will mich in meinem desolaten Zustand nicht allein lassen und zwingt mich, bei ihm zu übernachten. Ich diskutiere gar nicht erst, sondern packe meine Sachen zusammen und trottle ihm irgendwann einfach hinterher.
    Wir kommen ziemlich betrunken bei ihm an, und ich will einfach nur schlafen. Das geht aber nicht. Die Schlange ist nämlich weg. Lola muss irgendwie einen Weg aus dem Terrarium gefunden haben. Sofort steige ich auf einen Stuhl. Nicht auszudenken, wenn sie gleich pfeilschnell von irgendwo vorschießt und mein Bein essen will. Mit Schuh. Pitbull dreht durch. Er krempelt die ganze Wohnung um und greift sogar mit der Hand ganz tief in die Kloschüssel, um Lola eventuell aus der Kanalisation zu befreien. Ich habe Angst, dass er stattdessen eine Wasserratte hochziehen könnte.
    »Mensch, Caro, jetzt tu doch was!«, schreit Pitbull.
    »Ja, was soll ich denn machen?«, rufe ich zurück. Nein, ich steige nicht von diesem Stuhl. Wir rufen die Polizei an und melden eine Schlange als vermisst. Das ginge aber nicht so einfach, meint der Polizist, der Nachtdienst hat, die Schlange müsste wieder eingefangen werden, und das so schnell wie möglich, sonst müsste er leider die halbe Stadt in Alarmbereitschaft versetzen.
    »Wenn Sie meiner Lola was tun, können Sie was erleben!«, schreit Pitbull den Polizisten an. Ein lautstarker Streit beginnt, der zum Schluss so endet, dass Pitbull eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung an der Backe hat (»Das haben Sie jetzt davon, ich habe ein Aufzeichnungsgerät mitlaufen lassen und Ihren Namen habe ich auch, Herr Lehmann!«) und Reptilienspezialisten aus dem Frankfurter Zoo morgens um vier Uhr bei uns auftauchen und sinnlose Fragen stellen, zum Beispiel die, ob Lola gemeldet sei und ob Lola geimpft sei und ob Lola genug Zuwendung bekommt. »Im Augenblick bekommt sie keine!«, giftet Pitbull böse herum. Dann fangen die Leute an, einen Schlachtplan zu entwerfen, die Feuerwehr wird alarmiert und sämtliche Nachbarn, die in Pitbulls Haus wohnen, werden geweckt, damit man überall nachschauen kann, ob Lola irgendwo ist. Die Nachbarn sind verständlicherweise stinksauer, einer wirft mit Pantoffeln nach dem Feuerwehrmann und das Ende vom Lied ist, dass Lola immer noch nicht da ist.
     
    Ich sage, dass ich jetzt ins Bett gehe. Mir wird das alles zu viel. Ich jedenfalls werde nicht den Sonntag damit verbringen, ganz Watzelborn nach einer verloren gegangenen Boa constrictor abzusuchen. Mich stört es auch gar nicht, dass sie weg ist.
    Ist das herrlich, nur noch ein T-Shirt anzuhaben und sich zu strecken. Wunderbar. Gleich schlafe ich, gleich. Ich liebe das Gefühl, mitzubekommen, dass man einschläft.
    Im nächsten Moment sitze ich kerzengerade im Bett und möchte schreien, kann es aber nicht, weil in den wichtigsten Momenten in meinem Leben grundsätzlich meine Stimmbänder versagen. Menschen, die mich entführen wollten, hätten ein leichtes Spiel mit mir. Es ist Lola. Sie wickelt ihren zehn Meter langen Schlangenkörper in Sekundenschnelle um mich und postiert dann ihren Kopf direkt vor mein Gesicht. Ihre Augen glitzern. Ich komme mir vor wie Mogli im Dschungelbuch, der von der Schlange Kah bedroht wird.
    Kann mal bitte jemand kommen und mir helfen? Draußen diskutieren die anderen lautstark. Lola scheint die Situation zu genießen. Ich glaube, sie lächelt mich an. Gleich wird sie ihren

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