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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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Barhocker. »Isch brauch nur erst emal en Schnaps! Wolle Se auch ein’?« Ich verneine dankend.
    Die Dame kippt einen Rotkäppchen-Piccolo auf ex hinunter. Gleich danach greift sie zu einer Flasche, auf der »Jagdstolz« steht. Zwei Zwölfender-Geweihe prangen auf dem Etikett. Darunter steht der Hinweis: » 52 % Alkohol.« Bitte, lass sie nur einen Jagdstolz trinken, bete ich innerlich. Vergebens, denn die Dame setzt die Flasche an und leert sie bis zum unteren Etikettrand. Ich will nach Hause. SOFORT ! »So!«, lallt es. »Dann mal ran an den Speck!«, sagt Frau Happy-Sun-Sonnenstudio-Hartenstein-schönen guten Tag. »Wolle Se sisch erst sonne un dann mache mer Kosmetik odder annersterum?«, fragt sie. Mir ist das egal. Frau Happy Sun beschließt, dass es günstiger ist, erst die Kosmetikbehandlung durchzuführen und dann zum krönenden Abschluss unter der Sonnenbank zu entspannen. Ich sage, dass mir das recht ist.
    Erst muss eine Hautanalyse durchgeführt werden. Klebestreifen werden mir auf Kinn, Stirn und Wangen gepappt, die kurze Zeit später mit einem Ruck wieder abgezogen werden. Ich befürchte, dass Teile meiner oberen Hautschicht nun nicht mehr existieren. Frau Happy Sun stellt fest, dass ich im Kinnbereich fettige, im Stirnbereich sehr fettige und im Wangenbereich Mischhaut habe. Sie behauptet, dass die Gurken-Quark-Behandlungsmethode von Dr.Köcher hier Wunder wirkt. Ruckartig lässt sie mich auf dem Kosmetikstuhl nach hinten sausen, um einen Vergrößerungsspiegel vor mein Gesicht zu halten, durch den sie mich anstarrt. Ihre Augen wirken hinter dem Glas wie die eines Außerirdischen, der zu lange in einer Kochsalzlösung zugebracht hat.
    »Mhmhmh«, macht Frau Happy Sun. »Dene Mitesser müsse mer auch zu Leibe rücken!« Sie befiehlt mir, die Augen zu schließen und an etwas Schönes zu denken. Dann fängt sie an, mit zwei Tempotaschentüchern meiner Hautunreinheiten Herr zu werden. Nach jeder gereinigten Pore ruft sie laut: »Der hat gelitte!!!«
    Ihr Atem schießt mir bei jedem Satz feurig ins Gesicht. Ich merke, dass ich allein durch das Einatmen sehr schnell eine Promillegrenze überschreiten werde, bei der ich höchstwahrscheinlich nicht mehr gerade laufen kann. Wenn ich das Ganze hier überhaupt überleben sollte. Nachdem Frau Happy Sun mit den Mitessern und meinem restlichen Gesicht fertig ist, trägt sie mir eine Beruhigungsmaske auf. Sie sagt, dass sie gleich wieder da ist. Danke schön! Ob ich ein bisschen entspannende Musik hören möchte? Gern. Sie macht das Radio an.
     
    Oh. Unser Sender. Was läuft denn gerade? Wunschhits mit Mona. Wie nett. Gerade redet sie mit Yvonne aus Ettrichshausen. Yvonne wünscht sich für ihren verstorbenen Wellensittich das Lied »Time to say goodbye«. Mona sagt, dass ihr das mit dem Wellensittich sehr Leid tut, woraufhin Yvonne anfängt zu weinen. Sie hat ihren Wellensittich so schrecklich lieb gehabt. Er hat zwar alles angefressen und alles vollgeschissen, aber geliebt hat sie ihn trotzdem. Mona ist sehr einfühlsam und sagt, dass er aber bestimmt ein langes, schönes Leben hinter sich gebracht hat, und meint, dass der Tod irgendwann eine Erlösung ist. Yvonne erklärt daraufhin, dass der Vogel gerade mal ein halbes Jahr alt geworden ist. Er muss wohl versehentlich in die Tiefkühltruhe geflogen sein, als diese kurzzeitig offen stand, und Yvonnes Mutter hat die Truhe zugeschlagen, ohne nachzuschauen, ob der Vogel sich darin befindet, was man ja normalerweise tut! Der Vogel ist dann erfroren. Yvonne sagt, dass sie ihre Mutter hasst. Das Gespräch dauert mittlerweile schon über drei Minuten, obwohl wir alle wissen, dass Interviews nie länger als zweieinhalb Minuten dauern dürfen. Ich hoffe, dass Mona dieses Gespräch jetzt beendet. Aber das tut sie nicht. Sie sagt zu Yvonne, dass sie ihre Mutter nicht hassen soll, weil diese den
    Vogel bestimmt nicht absichtlich hat erfrieren lassen. Yvonne schreit: »Ich hasse dich Mama, ich hasse dich!!!« Im Hintergrund hört man Geschrei und näher kommende Schritte.
    Ich setze mich mit meiner Gurkenmaske entsetzt auf. Yvonne schreit: »Hilfe! Nicht hauen!!!« Eine Frau, offenbar die Mutter, brüllt zurück: »Ich geb dir auch nicht hauen, du Miststück, du Lügenmaul!!!«
    Bitte, Mona, zieh den Regler runter, bete ich innerlich.
    Aber Mona schreit: »Lassen Sie das Kind in Ruhe!!!« Die Mutter kommt ans Telefon und kreischt: »Se glaube doch wohl net, was die erzählt, odder? Soll isch Ihne was saache, die hat den

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