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Fremde am Meer

Fremde am Meer

Titel: Fremde am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Olsson
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können ihn nicht daran hindern, allein zu sein, wenn er das will. Er braucht seine Freiheit. Er wusste ja, dass Sie da waren und auf ihn warteten, und das genügt. Es ist nicht Ihre Schuld.«
    »Ich schaue noch mal am Strand nach«, sagte George und drehte sich um.
    »Gut, ich gehe in die andere Richtung«, entgegnete ich.
    Die Sonne stand tief, und die Landschaft verharrte trotz des ständigen Krachens der Wellen an den leeren Strand in einer Art Stille. Ich lief über den kühlen, nassen Sand und rief dabei Ikas Namen.
    Irgendwann musste ich langsamer gehen. Die Sonne sank in einem blutroten Crescendo unter den Horizont und hinterließ einen allmählich verblassenden Hauch von Lila und Grau. Plötzlich wurde mir klar, wohin ich meine Schritte lenkte. Ich ging den Strand hinauf, weg vom Meer. Die Dunkelheit setzte ein, aber da meine Augen sich an sie gewöhnt hatten, fiel es mir nicht schwer, meinen Weg zu finden.
    Ich stand auf dem Gipfel einer Düne und schaute hinunter auf unser Projekt. Ich hatte immer noch Mühe, es in seiner Gesamtheit zu erfassen, doch aus dieser Perspektive meinte ich, etwas von dem zu erkennen, was Ika sich vorgestellt hatte. Ich ging hin. Als ich sein Zentrum erreicht hatte, legte ich mich in den Sand, der hier noch warm war von der Sonne. Ich breitete die Arme aus und schaute in den Himmel. Langsam, ganz langsam entdeckte ich die ersten Sterne, und schließlich zog sich die ganze Milchstraße als breites, weiß schimmerndes Band über den Himmel. So hatte ich sie noch nie gesehen.
    Ich musste eingedöst sein, denn seine Anwesenheit weckte mich. Ika lag neben mir. Nicht nahe natürlich, aber näher, als ich erwartet hätte. Ohne den Kopf zu wenden, streckte ich meine Hand aus und legte sie zwischen uns. Zu meinem größten Erstaunen spürte ich, wie seine kalte, magere Hand kurz meine berührte. Da drehte ich mich zu ihm, zog ihn an mich und nahm ihn in die Arme. Und er ließ es zu.
    Dann lösten wir uns voneinander, und ich erzählte ihm, wo ich gewesen war. Was meiner Meinung nach geschehen würde.
    Ich sagte nicht, dass alles gut würde.
    Aber ich sagte ihm, dass ich ihn lieb hatte. Dass ich ihn nie im Stich lassen würde. Dass er wissen sollte, ich würde für ihn da sein, was auch passierte. Ich würde nie erlauben, dass ihm jemand wehtat. Ich versprach, was ich versprechen konnte, mehr nicht.
    Dann schauten wir eine ganze Zeitlang schweigend in den Himmel.
    »Ich wollte einfach hier sein«, sagte er. »Ich glaube, wir schaffen es jetzt nicht mehr, es fertig zu machen.«
    »Natürlich schaffen wir das«, versicherte ich.
    Wir setzten uns auf, und ich sah ihn an.
    »Ich finde, wir sollten zurückgehen und George Bescheid sagen, denn er hat den ganzen Nachmittag nach dir gesucht.«
    Natürlich antwortete Ika nicht.
    »Meinst du, wir sollten George zum Abendessen einladen?«
    Keine Antwort.
    »Was sollen wir kochen?«
    »Suppe«, sagte er. Und wir kicherten beide.
    Es war das erste Mal, dass ich Ika lachen hörte.

20
    Es wurde ein sehr schöner Abend. Ich kochte eine Suppe aus dem, was ich dahatte: ein paar Kartoffeln, Tomaten, Zwiebeln und Spinat. Und dazu backte ich spontan ein ungesäuertes Brot.
    George war kurz nach Hause gefahren und kehrte mit nassen Haaren und zwei Flaschen Wein zurück.
    Wir deckten den Tisch auf der Terrasse, obwohl es vollkommen dunkel war, und Ika half, indem er jede Menge kleiner Kerzen anzündete. Ich holte ein paar Decken und ging wieder in die Küche und klappte meinen Laptop auf. Ich klickte den Ordner an, wo die Musik gespeichert war, die Ika und ich gemeinsam entdeckt hatten.
    »Peace Piece«.
    Ich machte das Licht aus, und durch das offene Fenster sah die Terrasse, nur von den flackernden Kerzen beleuchtet, wie verzaubert aus. Ika saß neben George. Ich konnte nicht sehen, was ihr Interesse geweckt hatte, aber ihre Köpfe waren dicht nebeneinander über den Tisch gebeugt. In dem schwachen gelben Licht wirkte die Szene wie ein Gemälde. Ich stand still da und betrachtete sie, eingehüllt in die sanften Klänge der Musik.
    Dann trat ich hinaus und setzte mich ihnen gegenüber. Hin und wieder warf ich einen verstohlenen Blick auf Ika. Es schien, als sei er gewachsen. Als hätte er einen Sprung in seiner Entwicklung gemacht, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Immer wieder zeigte er sein rasches kleines Lächeln, schaute mich jedoch nie direkt an. Er aß mit dem üblichen guten Appetit.
    »Sehr lecker, die Suppe«, sagte George, als er seinen

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