Fremde am Meer
eigenen?
Ich sorgte mich um ihn. Ich hatte ihn lieb. Aber dieses »Ich« war die von meinem eigenen Leben geformte Person.
Vielleicht sollte ich den Versuch aufgeben, mich um das Sorgerecht für Ika zu bemühen?
Doch die düstere graue Stunde verstrich, und ich schlief wieder ein.
Jetzt, am Morgen, regnete es. Seltsamerweise fand ich das tröstlich. Erfrischend. Ich stand auf und ging in die Küche.
Zu meinem Erstaunen saß Ika am Tisch. Ich hatte ihn nicht kommen hören, aber er war ein Meister darin, sich lautlos zu bewegen.
Er hatte den Tisch mit Bechern und Tellern, Butter und Marmelade für zwei gedeckt. Als ich mich hinsetzte, sprang er hinüber an die Theke und steckte zwei Scheiben Brot in den Toaster.
Dann nahm er wieder Platz.
Wenn es mir möglich gewesen wäre, hätte ich seinen Gesichtsausdruck als erwartungsvoll gedeutet.
»Was für ein herrlicher Tagesbeginn«, sagte ich. »Aber wo ist George? Weiß er, dass du hier bist?«
Ika nickte.
Ich schaute auf die Uhr. Es war halb sieben.
Das Brot hüpfte aus dem Toaster, und Ika flitzte hin, um es zu holen. Dann griff er nach dem Kessel, und ich sah ängstlich zu, wie er ihn mit beiden Händen zum Tisch trug und abstellte.
»Darf ich anfangen?«
Er nickte.
Er beobachtete, wie ich ein Stück Toast mit Butter bestrich, und zeigte dabei die Miene eines besorgten Kochs, der auf das Urteil seines Gastes wartet.
»Wunderbar«, sagte ich. »Das ist das Beste, wenn einem jemand Frühstück macht.«
Endlich bediente er sich auch, und wir aßen einen Moment lang schweigend.
»Wie findest du dieses Haus?«, fragte ich dann.
»Gut«, sagte er.
»Es müsste geputzt werden, meinst du nicht?«
Er zuckte die Achseln.
»Der einzige saubere Raum ist dein Zimmer.«
Kein Kommentar.
»Ich werde heute mal loslegen. Versuchen, ein bisschen Ordnung in unser Haus zu bringen.«
Unser Haus.
Manche Tage fangen gut an und werden nur noch besser. Als wir gerade den Tisch abgeräumt hatten, kam George. Ich erzählte ihm, dass ich vorhatte, mein Haus zu entrümpeln, und er bot mir prompt seine Hilfe an. Ich musterte die beiden, Ika und George, wie sie da nebeneinander standen und mich mit einem Ausdruck der Vorfreude anschauten. Also nahm ich das Angebot an, und wir machten uns ans Werk.
Es regnete bis mittags, dann brach die Sonne durch die Wolken. Sie glitzerte auf dem Wasser, wo es sich in Rinnsalen und Pfützen gesammelt hatte. Alles schien Hoffnung auszustrahlen.
In meiner dürftig bestückten Speisekammer fand sich gerade so viel, dass ich ein Omelette mit Tomaten und Kartoffeln zubereiten konnte. Wir legten eine Pause ein und setzten uns zum Essen auf die Terrasse. Wir waren alle drei hungrig und genossen die einfache Mahlzeit.
Wir entsorgten jede Menge Gerümpel. Obwohl ich einiges ausgeräumt hatte, um Platz für Ika zu schaffen, hatte ich nicht viel davon weggeworfen, sondern nur woanders verstaut. Jetzt aber wuchs der Haufen hinter dem Haus, und George versprach, ihn später mit seinem Lieferwagen abzuholen und zur Müllkippe zu bringen.
Dann fingen wir mit dem Putzen an. George saugte, ich feudelte, und Ika wischte Staub. Wir arbeiteten schnell, und es war erstaunlich befriedigend. Kurz nach vier Uhr schienen wir bereits fertig zu sein.
Alles sah verändert aus. Mein Haus hatte einen anderen Charakter angenommen. Vielleicht war es aber auch nur meine Perspektive, die jetzt eine andere war. Es fühlte sich an, als zöge man ein Kleidungsstück aus, das man seit Jahren trägt, nur um nicht zu frieren, und entdeckte plötzlich, dass es wunderschön ist. Ich ging durch alle Räume, und es war, als sähe ich sie zum ersten Mal. In meinem Schlafzimmer erblickte ich die Zeitschrift, die noch auf dem Nachttisch lag, und steckte sie in eine Schublade. Ich fragte mich, ob Ika oder George sie wohl bemerkt hatten.
»Vorher hat es mir auch gefallen«, sagte George. »Aber sogar Dinge, die von Natur aus schön sind, werden noch schöner, wenn sie sauber und aufgeräumt sind. Was meinst du, Ika?« Er legte Ika eine Hand auf den Kopf, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. Zu meiner Überraschung wich Ika nicht zurück, sondern ließ zu, dass George ihn tätschelte und ihm die Haare zauste.
Ich schaute George an, erkannte aber kein Anzeichen dafür, dass er wusste, wie außergewöhnlich das war.
»Ich finde, wir sollten schwimmen gehen«, sagte er.
Das hielten wir alle für eine gute Idee, und ich ging Handtücher holen.
George ging zu seinem
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