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Fremde am Meer

Fremde am Meer

Titel: Fremde am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Olsson
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frühmorgendlichen Stunden überwältigen.

23
    Man entschied, dass Ika fürs Erste bei George bleiben sollte, und unser neues Leben nahm allmählich Gestalt an. Abends kochten wir abwechselnd bei ihm und bei mir, und gelegentlich übernachtete Ika bei mir. Wir arbeiteten weiterhin an unserem Projekt, und George stellte nie Fragen. Vielleicht hatte er irgendwie herausgefunden, was wir taten, aber auch wenn dem so war, brachte er es nie zur Sprache.
    Mein Haus wurde inspiziert und ich selbst dem langen Prozess der Bewertung als Pflegemutter unterzogen. Es machte mich nicht schlauer; ich war nach wie vor unfähig, meine Chancen einzuschätzen.
    Ich beobachtete, wie Ika sich bei George einlebte und neue Gewohnheiten entwickelte. Gewohnheiten, die mich nicht einschlossen. Ich versuchte, das als positiv zu sehen. Als Zeichen dafür, dass Ikas soziale Kompetenz wuchs. Ich redete mir ein, meine einzige Sorge sei, dass er George zu sehr ins Herz schließen würde, während George das Ganze nur als vorübergehendes Arrangement betrachtete, nicht anders als bei den anderen Kindern, die er zuvor bei sich aufgenommen hatte.
    Es dauerte fast drei Monate, bis wir zu einer Zusammenkunft bestellt wurden. Ich fragte George, ob das normal sei. Er wusste es nicht, dazu hatte er nicht genügend Erfahrung. Manche Fälle, mit denen er zu tun gehabt hatte, waren viel schneller abgeschlossen worden, und ein paar hatten noch länger gebraucht.
    Wir würden uns in einer Anwaltskanzlei in Hamilton treffen. George bot an zu fahren. Der Termin sollte um zwölf Uhr sein, wenn Ika in der Schule war.
    Ich wachte an diesem Morgen mit der Erinnerung an meinen üblichen Traum auf und blieb mit geschlossenen Augen liegen, um ihn mir zu vergegenwärtigen, bevor er verblasste. Der Traum fing an wie immer. Wir gingen Hand in Hand durch den unheimlichen Wald, bis wir die Klippe erreichten und seine Hand meiner entglitt. Aber als ich aufschaute, war da keine Eisenbahnbrücke. Und als ich den Blick aufs Wasser richtete, war es ganz nah, und ich ließ mich hineingleiten. Es war warm, hatte dieselbe Temperatur wie meine Haut und fühlte sich nicht an, als ginge ich darin unter, sondern als wäre ich eins damit. Es leuchtete, wie von oben angestrahlt. Ich sah, wie er sich auf mich zu bewegte, und als wir aufeinandertrafen, breitete er die Arme aus.
    Wir trieben schwerelos in dem goldenen Wasser, die Arme umeinander geschlungen, und ich wusste, dass es nie enden würde.
    Ich machte die Augen auf und sah mich um. Nachdem wir das Haus geputzt hatten, hatte George mir geholfen, es neu zu streichen, die Schlafzimmerwände in einem warmen Weiß, und ich hatte Kopien von Mikaels Fotos gemacht und sie rahmen lassen. Sie waren nicht perfekt, nur aus der Zeitschrift abgescannt, aber der Verlust an Schärfe gefiel mir irgendwie. Es schien, als hätte sich ein Nebel über die Bilder gelegt, genau wie über meine Erinnerungen, und als seien sie an den Rändern verschwommen und langsam zu einem Ganzen verschmolzen. Alle Bilder waren eins geworden. Sie hingen gegenüber von meinem Bett, sodass sie das Erste waren, auf das mein Blick jeden Morgen fiel.
    Ich hatte schon am Abend zuvor herausgesucht, was ich anziehen würde. Ein ärmelloses marineblaues Kleid und eine graue Strickjacke. Beide Teile waren an der Schranktür aufgehängt, und ich schaute sie an. Sie sahen aus, als kleidete ich mich für einen Prozess, bei dem ich die Angeklagte war und einen vertrauenswürdigen und ehrbaren Eindruck machen musste.
    Da ich lange vor der verabredeten Zeit fertig war, ging ich nach draußen und legte mich in die Hängematte, um dort auf George zu warten. Es war ein klarer Herbsttag, der Himmel hoch, und eine leichte Brise ging.
    Ich hatte in der Küche die Musik angestellt, und plötzlich ertönte »Peace Piece«. Und ich erinnerte mich an die lange Zeit, in der ich das Stück nicht hatte hören können. Gefolgt von der Zeit, in der ich mir das Hören, nicht aber eine Reaktion darauf erlaubt hatte.
    Jetzt aber fanden die ruhigen Klänge ihren Weg in mein Inneres. Ich war nicht mehr imstande – und willens –, sie abzuwehren, sondern endlich bereit, sie in mich aufzunehmen. Ich schloss die Augen und lauschte mit dem ganzen Körper.
    Es war nicht mehr schmerzhaft, sondern einfach nur schön. Friedvoll und wunderschön.
    Sie fährt nach Auckland. Sie fürchtet sich davor, doch sie kann es nicht länger aufschieben.
    »Wir sehen uns in Auckland«, hat er gesagt.
    Und seitdem hat der

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